“Netz”-Demokratie? Wie bei vielen aus zwei Substantiven zusammengesetzten Ausdrücken sind bei der Kombination “Netz”-Demokratie zwei Interpretationen möglich. Zum einen kann es um die Demokratie im “Netz” gehen, zum anderen um die Demokratie durch das “Netz”. Kaum missverständlich dürfte sein, dass mit “Netz” das Internet gemeint ist, was daran aber genau, ist keineswegs eindeutig, und bei den beiden genannten Interpretationen tendenziell unterschiedlich.
Betrachten wir kurz den Aspekt der Demokratie im Netz. Anders als Rundfunk- und Fernsehsender oder Verlage und Druckereien gehört das Internet nicht einem Eigentümer und wurde auch nicht aufgrund eines Gesetzes errichtet. Im Kern ist es eine Menge technischer Standards für die Datenübertragung zwischen Computern unterschiedlicher Hersteller (vor allem TCP/IP, das Internet-Transportprotokoll), und eine Systematik für die Zuweisung von Adressen der beteiligten Rechner (IP-Adressen). Hinzugekommen ist die weltweite Vergabe und Verwaltung von Domain-Namen. Wie andere Standardisierungsgremien erfolgt die Organisation dieser Standardisierungsaufgaben in internationalen Gremien (Ausschüssen, Arbeitsgruppen), die teilweise staatlich anerkannt werden wie z.B. ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) oder das W3-Konsortium, das technische Standards für das World Wide Web definiert, öffentlich zur Diskussion stellt und letztlich verabschiedet. Diese Organisation des Mediums Internet kann man demokratisch nennen, allerdings mit einem starken Anteil an Expertokratie.
Davon zu unterscheiden ist die Produktion und Auswahl der Inhalte. Es gibt keinen Verleger oder Chefredakteur. Grundsätzlich kann jeder zugleich Autor und Rezipient bzw. Sender und Empfänger sein. Selbstverständlich finden etablierte Institutionen eine größere Aufmerksamkeit als einzelne Individuen. Aber die Chancen werden immer wieder neu gemischt. Blogger zum Beispiel erreichen teilweise höhere Nutzungszahlen und damit Reichweiten als Online-Angebote von Tageszeitungen. Auch dies kann man Demokratie im Netz nennen, allerdings mit einem gewissen Anteil Anarchie.
Auf diesen Aspekt der Demokratie im Netz möchte ich im Folgenden nur noch indirekt eingehen. Im Vordergrund soll vielmehr die Frage stehen, ob und wie sich politische Beteiligung durch das Internet gewandelt hat. Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort, weil der Bereich der politischen Beteiligung insgesamt sehr vielfältig ist und weil dort, wo ein Wandel zu beobachten ist, dieser nicht einzig und allein auf die Nutzung des Internet zurückzuführen ist.
Im Beitrag “Zum Wandel politischer Beteiligung durch das Internet” werden acht Formen politische Beteiligung vorgestellt und kommentiert.
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Um die Jahrtausendwende herum, kurz vorm Platzen der Internetblase, jagte eine Untersuchung zum kommunalen E-Government die andere. Häufig wurden sie von großen Beratungshäusern erstellt, die im kommunalen Umfeld damals einen lukrativen Markt vermuteten. Dies erwies sich aus mehreren Gründen als Fehleinschätzung und so verschwanden mit der Zeit auch diese auf Hochglanz getrimmten Publikationen.
Doch Totgesagte leben länger: Soeben hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young ihre Untersuchung E-Government 2011. Grad der Umsetzung durch die Kommunen veröffentlicht. Nun wird Ernst & Young sich hierbei schon etwas gedacht haben. Für den fachkundigen Leser bleibt das Engagement gleichwohl ein wenig rätselhaft, hatten die großen Beratungsunternehmen vor vielen Jahren doch gute Gründe dafür, sich aus dem kleinteiligen und komplizierten kommunalen E-Government-Markt weitgehend zurückzuziehen.
Die Studie selbst hinterlässt ein zwiespältiges Bild: Auf der einen Seite wird völlig zu Recht auf einzelne Mängel im kommunalen Serviceangebot hingewiesen, die zwar nicht neu, deswegen aber nicht minder ärgerlich sind. Unzureichende Angebote im Payment gehören ebenso dazu wie lahme und/oder schlechte Antworten auf E-Mail-Anfragen. Auf der anderen Seite macht die Studie den Eindruck, nicht so ganz auf der Höhe der Zeit zu sein.
Das beginnt schon beim Vorwort, an dessen Beginn zu lesen ist: Informations- und Kommunikationstechnologien gewinnen auch für die deutschen Kommunen immer mehr an Bedeutung. Diese Plattitüde ist schon vor über zehn Jahren hundertfach zum Besten gegeben worden und schon damals war sie inhaltsleer. Weiter geht es mit den Ausführungen zur Bereitstellung von Online-Diensten, also dem Kernthema der Studie. Weder werden hier rechtliche Rahmenbedingungen erörtert noch wird darauf eingegangen, dass der Zuspruch von Bürgern und Unternehmen zu Online-Diensten seit Jahren in vielen Bereichen unvermindert niedrig ist so dass manche Kommune ihr Engagement inzwischen auf den Ausbau des Angebots im Bürgerbüro oder den Aufbau eines Call Centers (ob mit oder ohne D115) verlagert hat. Die Servicequalität für Unternehmen wird sodann am Beispiel der elektronischen Auftragsvergabe untersucht. Damit wurde ausgerechnet jener E-Government-Dienst ausgewählt, dem einst die höchsten Einsparpotenziale zugeschrieben worden sind, deren Realisierung aber bis heute an fehlender Akzeptanz auf Unternehmensseite gescheitert ist. Auch hierzu findet sich im Text kein Wort.
Last not least stellt sich die Frage, was wir heute vom schnellen Blick aufs digitale Front Office eigentlich noch lernen können. Selbst die EU-Kommission hat gelernt, dass der IT-Einsatz im Back Office für die Qualität öffentlicher Dienste mindestens ebenso wichtig ist. Eine zeitgemäße Erhebung müsste zudem das Verhältnis zwischen Online-Diensten auf der einen sowie den Angeboten von Call Center und Bürgerbüro auf der anderen Seite nachgehen. Und in Zeiten von Open Government sollte die Beziehung zwischen Bürgern und Kommune nicht länger auf die Erbringung von Dienstleistungen der Verwaltung reduziert werden.
Um nicht falsch verstanden werden: Ich gratuliere gerne den Kommunen, die sich unter den Top 10 platziert haben. Und ich schätze die Leistungen der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, deren Dienste auch wir in Anspruch nehmen. Aber ebenso wenig wie wir uns in deren Belange einmischen, so gilt auch hier: Schuster bleib bei Deinen Leisten.
Nachtrag: In der Computerwoche vom 1.8.2011 (Nr. 31-32/2011) war zu lesen, dass nach den Ergebnissen einer aktuellen Umfrage in der Fertigungsindustrie rund ein Drittel der befragten Unternehmen für ihre Beschaffungen auf die herkömmlichen Kommunikationsmittel Brief, Fax und E-Mail setzen, also keinen Gebrauch von elektronischen Beschaffungsplattformen machen. Der Anteil der Unternehmen, die nach eigenen Angaben alle operativen Beschaffungsprozesse mit einer Internet-Plattform unterstützten, lag bei etwas mehr als zehn Prozent. Der öffentliche Sektor scheint mit seiner Zurückhaltung hinsichtlich elektronischer Beschaffungs- bzw. Vergabeplattformenm also nicht ganz allein zu sein…
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