Gestern habe ich die Gelegenheit gehabt, in der Lehrveranstaltung meines Kollegen Andreas Breiter zu Grundlagen und Entwicklungen im E-Government zu referieren. Schon im vergangenen Sommersemester hatten wir in einem gemeinsamen Seminar ein breites Themenspektrum von E-Business über E-Government zu E-Health behandelt. Für mich war das vergangene Jahr insofern noch einmal mit einer Premiere verbunden, hatte ich zuvor doch so gut wie keine Berührungspunkte mit dem Lehrbetrieb an der Uni. Und was soll ich sagen? Es hat viel Spaß gemacht – mir und den Studierenden hoffentlich auch.
In der gestrigen Vorlesung habe ich versucht, den Bogen von E-Government hin zu übergeordneten Fragen zum Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Bürgern zu schlagen. Zur Systematisierung der vielfältigen Beziehungen zwischen Staat, Verwaltung und Bürgern habe ich obiges Koordinatensystem vorgestellt. Auf der Horizontalen wird unterschieden, ob die Verwaltung im Bürger primär ein Objekt der Rechtsausübung sieht oder ob sie ihn aus der Perspektive eines Dienstleisters als Kunden behandelt. In der Vertikalen wird dargestellt, ob ein partnerschaftliches Verhältnis gepflegt wird oder ob sich Staat und Bürger als Kontrahenten gegenüber stehen. Die in diesem System markierbaren Positionen führen in unserer modernen Gesellschaft eine Koexistenz – es kommt stets auf Situation und Anlass der Begegnung zwischen Staat bzw. Verwaltung und Bürgern an. Einzig die Endpunkte aus „Objekt“ und „Partner“ sowie aus „Kontrahent“ und „Kunde“ scheinen mir nicht miteinander kombinierbar zu sein, weshalb diese Positionen grau markiert sind.
In der Vergangenheit haben sich manche Kritiker von Reformansätzen immer mal wieder gegen die Verwendung von Begriffen wie „Kunde“ oder „Dienstleister“ im Verwaltungskontext ausgesprochen. Ich teile diese Kritik nicht, erkenne aber an, dass die Kritiker zurecht darauf aufmerksam gemacht haben, dass die Beziehung zwischen Verwaltung und Bürgern stets gewissen Spannungen unterliegt und mit Begrifflichkeiten aus der Marketingrhetorik unzureichend erfasst wird. Mir scheint in den Debatten zu E-Government und Open Government ein in Teilen geradezu idealisiertes Bild von der vielschichtigen Beziehung zwischen Staatsgebilde und Staatsvolk vorzuliegen, das die Sphären von „Kunde“ und „Partner“ überbetont und den Rest gerne ausblendet. Daran haben selbst die Enthüllungen und Entwicklungen zur staatlichen Überwachung unserer Kommunikation nichts geändert.
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