Vom 18. bis 21. August fand die gemeinsame Konferenz der 'European Association for the Study of Science and Technology' und der internationalen 'Society for Social Studies of Science' (4S) statt. Durch die Corona-Pandemie wurde die Tagung aus der tschechischen Hauptstadt Prag in die „virPrague“ verschoben und digital durchgeführt. Ob das „vir“ dabei für „Virus“ oder „virtuell“ steht, ließen die Veranstalter*innen offen. Trotz der Krisenbedingungen der Pandemie, haben die Veranstalter*innen in kurzer Zeit eine digitale Infrastruktur geschaffen, um die klassischen Vorträge mit den Möglichkeiten der digitalen Kommunikation zu kombinieren und den Teilnehmenden ein Gefühl der Gemeinschaft zu vermitteln.
Das Thema der Konferenz - "Locating and Timing Matters: Significance and agency of STS in emerigng worlds" - setzte den Fokus auf den situierten Charakter der Handlungen, die unterschiedliche menschliche und mehr-als-menschliche (Engl. „more-than-human“) Akteure in der datafizierten Welt ausüben. Dabei wurden in zahlreichen Podiumsdiskussionen auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die sozialen Praktiken und die Rolle darin der Daten, der Algorithmen und der Informationssysteme kritisch diskutiert.
Für das ifib stellten Irina Zakharova und Juliane Jarke im Panel "Kritische Methodologien für Informatik: Theorien, Praktiken und Zukunftsorientierungen" (Engl. Crafting critical methodologies in computing: Theories, Practices and Future Directions) Ergebnisse aus dem laufenden DATAFIED-Projekt vor. Ihr Vortrag trug den Titel "Software-als-Prozess: Reflexion von diskurs-, karten- und prozess-basierten Forschungsartefakten" und reflektierte methodologische Überlegungen zur Erforschung von Informationssystemen.
Ein Screenshot von der Präsentation von Irina Zakharova und Dr. Juliane Jarke, weitere Teilnehmende wurden mit „Aufklebern“ unkenntlich gemacht.
Die Autorinnen bezogen sich auf feministische Epistemologien (z.B. Puig de la Bellacasa 2011, 2017, Mol 2002) als Grundlage, die zum Verständnis der "flüssigen", sich immer verändernden Prozesse in Informationssystemen beiträgt. Das Ziel war es, zu explorieren, wie die Konzepte der Sorgearbeit (Engl. „care-work“) und die Anwendung unterschiedlicher Forschungsartefakte (Interviewtranskripte, Karten und Prozessmodelle) dabei unterstützen, die Zusammenarbeit der Schulinformationssysteme und der vielen in der digitalisierten Schule beteiligten Akteure als eine anhaltende, kontinuierliche, emotionale Beziehung zu untersuchen. Dabei wurde Sorgearbeit nach Puig de la Bellacasa (2017) als affektiver Zustand, Arbeit und ethisch-politische Verpflichtung verstanden. So, zeigten die Autorinnen auf empirischen Beispielen auf, wie Schulinformationssysteme bestimmte Praktiken der Sorgearbeit ermöglichen oder einengen. Wenn Praktiken der Sorgearbeit an einer Stelle eingeengt werden, öffnen sich alternative Räume, in welchen sich sowohl menschliche als auch mehr-als-menschliche Akteure gemeinsam an der Sorgearbeit beteiligen. Außerdem gehört die Sorge für die mehr-als-menschlichen Akteure wie beispielsweise digitale Daten, zu den Praktiken, die von Schulinformationssystemen erfordert werden, damit der Bildungsauftrag der digitalen Schule erfolgreich umgesetzt werden kann.
Als Gesamtergebnis aus dem Panel haben sich die Organisator*innen und Diskutant*innen zu einem Folgetreffen in September verabredet, um weiter gemeinsam über kritische Methodologien und ihre Rolle in Erforschung der Informationssysteme nachzudenken.
Weitere Beiträge zum Thema: Datifizierung • Neue Medien und Schulentwicklung • DATAFIED Zuordnung: Vorträge
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Am 14. August wurde der 17. Bildungsmonitor veröffentlicht. Seit 2004 wird dieser jährlich von der wirtschaftsnahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in Zusammenarbeit mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft herausgegeben. Der Bildungsmonitor verfolgt aus bildungsökonomischer Perspektive Entwicklungen in unterschiedlichen Feldern des Bildungssystems und formuliert bildungspolitische Empfehlungen. In diesem Jahr standen die Auswirkungen der Covid-19 bedingten Schließungen von Bildungseinrichtungen und deren Auswirkungen im Fokus. Zum einen geht es hierbei um die starke Intensivierung von Elternschaft, bedingt durch die Schließung von Kitas und Schulen. Eltern standen vor der immensen Herausforderung einer Vereinbarung von Beruf, Kinderbetreuung und Begleitung des Unterrichts. Zum anderen wurden die rapiden Veränderungen für Schulen analysiert, welche binnen kürzester Zeit den Unterricht aus der Ferne ermöglichen mussten. Die Nutzung digitaler Medien und Formate spielte hierfür eine Schlüsselrolle. Im Schwerpunktkapitel 3 beschäftigt sich daher der diesjährige Bildungsmonitor mit der Digitalisierung an Schulen und untersucht deren Wandel. Auch wenn vor der Corona-Krise regelmäßig digitale Medien im Unterricht eingesetzt wurden, fasst der Bericht die Entwicklungen der letzten Monate als „Quantensprung“ zusammen.
Dabei lassen die Ergebnisse des Bildungsmonitors keinen Zweifel daran, dass der digitale Wandel an den Schulen noch lange nicht abgeschlossen ist. Mit dem DigitalPakt ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung Verbesserung der technischen Ausstattung an Schulen vollzogen. Auch wenn es sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, bis alle Lehrkräfte und Schüler*innen digitale Endgeräte, WLAN, Lernmanagementsysteme sowie internetbasierte Anwendungen für gemeinschaftliches Arbeiten zur Verfügung gestellt bekommen. Neben dem sukzessiven Ausbau der technischen Infrastruktur rücken aber zunehmend andere Aspekte in den Vordergrund. Viel wichtiger wird es für die Zukunft sein, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, wie digitale Formate im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden sollen, wie Lehrkräfte bei der Entwicklung von digitalen Lehr- und Lernkonzepten zu unterstützt sind, wie Medienbildung in der Lehrkräftebildung systematisch und fächerübergreifend während des Studiums, im Vorbereitungsdienst und in Fort- und Weiterbildungen verankert werden kann.
Mit Blick auf diese zukünftigen Herausforderungen fordern die Verfasser*innen des Bildungsmonitors dringend die Implementierung von Digitalisierungsstrategien an den Schulen. Diese sollten auf behördlicher Ebene übergreifend entwickelt, mit zeitlichem Vorlauf an die Schulen vermittelt und gemeinsam mit den Lehrkräften vor Ort auf die dortigen Voraussetzungen heruntergebrochen werden. Mit Verweis auf Befragungen des Deutschen Schulportals 2020 zeigt sich, dass die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses, wie bspw. digitale Formate im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden sollen, und die Bereitschaft von Lehrkräften, digitale Lernformate im Unterricht auch einzusetzen, von zentraler Bedeutung für den gelingenden und nachhaltigen digitalen Wandel von Schulen sind. Liegen solche Strategien und Konzepte zur digitalen Schulbildung erst einmal vor, können diese klar kommuniziert werden, Verunsicherungen bei Eltern, Kindern und Jugendlichen sowie beim Fachpersonal in Schulen verringern, sowie als Leitlinien für einen geplanten, gesteuerten und transparenten Entwicklungsprozess dienen.
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