Seit dem 15. Juli wird der Bereich „Barrierefreiheit“ der ifib consult durch die Werkstudent*innen Tim Wessel und Tatjana Menke verstärkt. Sie werden insbesondere die Erstellung so genannter Barrierefreiheits-Reviews unterstützen. Aufgrund der Herausgabe der EU-Richtlinie 2016/2102 und den damit einhergehenden Änderungen im BGG sowie in der BITV 2.0 erwarten wir einen verstärkten Bedarf in diesem Bereich, auf den wir durch einen Ausbau dieser Abteilung frühzeitig reagieren wollen. Wir begrüßen beide herzlich in der ifib consult und wünschen ihnen viel Spaß bei ihrer Arbeit. Bei Fragen zum Thema Barrierefreiheit wenden Sie sich bitte an Frau Finken.
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Durch die Herausgabe der EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen vom 02.12.2016 wurden auf EU-Ebene Änderungen für den Bereich Barrierefreiheit angestoßen, die sich jetzt auch in der BITV wiederfinden. Die EU-Richtlinie musste bis zum 23.09.2018 in nationales Recht umgesetzt werden, was in Deutschland auf Bundesebene zu einer Überarbeitung des BGG (Juli 2018) und der BITV (Mai 2019) führte.
Die EU-Richtlinie gilt für Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen. Sie beinhaltet folgende Punkte:
Öffentliche Stellen des Bundes sind nicht nur die Einrichtungen der Bundesverwaltung, sondern auch die Stellen, die das Vergaberecht anzuwenden haben und dem Bund zuzurechnen sind (siehe: § 12 BGG). Auf Landesebene sind die Bundesländer für öffentliche Stellen zuständig.
Laut BGG müssen Websites (inklusive Intranets und Extranets), Apps sowie elektronische Verwaltungsabläufe (z. B. Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung, elektronische Zeiterfassung, …) barrierefrei gestaltet werden (vgl. § 12a Absatz 1 BGG). Hiervon betroffen sind laut BITV 2.0 auch rein intern genutzte Apps. Es gibt somit bei der barrierefreien Gestaltung keinen Unterschied mehr zwischen Internet und Intranet, sowie ebenso wenig zwischen öffentlich und nicht-öffentlich zugänglichen mobilen Anwendungen. Die Umsetzungen im deutschen Recht sind hierbei strenger, als von der EU-Richtlinie gefordert.
Laut BITV 2.0 sind diejenigen Inhalte auf Websites und in Apps von einer barrierefreien Gestaltung ausgenommen, für die auch die EU-Richtlinie Ausnahmen zugelassen hat (vgl. § 2 Absatz 2). Das betrifft:
Zudem kann für den Erhalt der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte die Bundesministerin oder der Bundesminister der Verteidigung weitere Ausnahmen von der BITV 2.0 festlegen (§ 2 Absatz 3).
Zu der elektronischen Vorgangsbearbeitung zählen laut BITV 2.0 unter anderem (§2a Absatz 4):
Elektronische Aktenführung im Sinne der BITV 2.0 ist die systematische und programmgestützte Vorhaltung und Nutzung von Dokumenten in elektronischer Form, beispielsweise mittels Dokumentenmanagementsystemen (vgl. §2a Absatz 5).
Eine weitere große Änderung in der BITV 2.0 ist die Streichung der bisher enthaltenen Anlage 1 und somit der enthaltenen Prinzipien. In der neuen Fassung wird auf harmonisierte europäische Normen sowie den „Stand der Technik“ verwiesen. Hierbei wird vermutet, dass Anwendungen barrierefrei sind, wenn sie diesen Normen oder Teilen der Normen entsprechen und diese wiederum im Amtsblatt der EU genannt wurden. Unter Stand der Technik wird verstanden, was technisch möglich ist, und nicht, was sich schon durchgesetzt hat.
Als Norm wird in der EU-Richtlinie die EN 301 549 in der Version V2.1.2 (2018-08) angegeben. Diese folgt weitestgehend den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, kennt aber das dort beschriebene Level AAA nicht. Bei zentralen Navigations- und Einstiegsangeboten sowie Formularen und anderen interaktiven Prozessen auf Websites muss ein noch höheres Maß an Barrierefreiheit (vgl. § 3 Absatz 4) eingehalten werden, welches dem Level AAA der WCAG 2.1 entsprechen dürfte.
Ebenfalls schreibt die neue BITV 2.0 vor (siehe §7), dass die (jährlich zu aktualisierende) Erklärung über die Barrierefreiheit einer Website von der Startseite und jeder Seite dieser Website aus erreichbar sein muss. Bei mobilen Anwendungen ist die Erklärung an der Stelle, wo die Anwendung heruntergeladen werden kann, oder auf der Website der betreffenden öffentlichen Stelle zu veröffentlichen. Die wesentlichen Inhalte dieser Erklärung müssen auch in Deutscher Gebärdensprache (DGS) und in Leichter Sprache zur Verfügung gestellt werden. Daneben sind auch die schon bisher vorgeschriebenen Inhalte in DGS und Leichte Sprache zu übertragen. Diese sind: Informationen zu den wesentlichen Inhalten der Website, Hinweise zur Navigation sowie ein Hinweis auf ggf. weitere Informationen in DGS oder Leichter Sprache, die auf der Website oder in der App verfügbar sind. Ebenso wie die Erklärung muss auch der Feedback-Mechanismus von jeder Seite einer Website unmittelbar erreichbar sein, bei Apps genügt die Integration in die Navigation.
Seit der Überarbeitung des BGG gibt es für alle digitalen Anwendungen eine Ausnahmeregelung (§ 12a Absatz 6 BGG), falls die barrierefreie Gestaltung zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen würde. Diese ist aber nur in Ausnahmefällen, nach Abwägung verschiedener Kriterien (teils durch die EU-Richtlinie vorgegeben) anwendbar. Keine Gründe für eine Ausnahmeregelung sind: Mangelnde Priorität; fehlende Zeit; fehlende Kenntnis; die Annahme, dass bestimmte Inhalte Menschen mit Behinderungen nicht treffen würden. Und selbst bei Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung kann nicht auf eine barrierefreie Gestaltung verzichtet werden, sondern nur der Umfang ist zu reduzieren.
Weiterhin gibt es auch Neuerungen, die die Wirtschaft betreffen. So wurde am 17.04.2019 die EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte (Hardware, Betriebssysteme, E-Book-Lesegeräte oder Selbstbedienungsterminals, …) und (webbasierte) Dienstleistungen (elektronischer Handel, Online-Bankwesen, audiovisuelle Mediendienste, E-Books, …) verabschiedet. Zukünftig müssen jetzt auch diese barrierefrei in den Verkehr gebracht werden, um den Handel zwischen den Staaten zu vereinfachen. Die Richtlinie muss bis zum 28.06.2022 in den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs der neuen BITV 2.0 gab es bereits Kritik. Einerseits bezieht sich diese auf die Streichung der Anlage 1 und die fehlenden Benennungen der relevanten Normen und Kriterienkataloge in der BITV 2.0 selbst (siehe z.B. die Stellungnahme des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V.). Ein relevanter Aspekt dabei ist, dass sowohl die EN 301 549 als auch die WCAG 2.1 nur in englischer Sprache vorliegen, was den Geltungsbereich im deutschsprachigen Raum einschränken könnte.
Es bleibt spannend, abzuwarten, wie die Umsetzung der neuen Vorschriften in der Realität aussieht. Ob es die Barrierefreiheit voran- oder nur mehr Unklarheiten hervorbringt, muss sich erst noch herausstellen.
Quellen:
BIK für Alle: Weltweiter Standard: Web Content Accessibility Guidelines
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Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt
eine Werkstudentin oder einen Werkstudenten mit Schwerpunkt Barrierefreiheit und Usability
im Rahmen von mindestens 10 Stunden/Woche. Vorausgesetzt wird ein laufendes Bachelorstudium eines einschlägigen Studienfaches an einer Bremer Hochschule. Die Vergütung erfolgt angelehnt an den TV-L.
Deine Aufgaben liegen schwerpunktmäßig in der Unterstützung bei der Erstellung von Gutachten über die Barrierefreiheit und Usability von Software und Webseiten für die wir etablierte Kriterienkataloge wie die BITV 2.0, WCAG 2.1, DIN EN ISO 9241-110 hinzuziehen.
Zu Deinem Profil gehören Kenntnisse im Bereich Webprogrammierung (HTML, CSS, JavaScript) sowie Interesse an barrierefreier Gestaltung. Bei Interesse bieten wir die Gelegenheit, die Arbeit in beiden Themenfeldern zu vertiefen und eine Abschlussarbeit zur Thematik zu erstellen.
Wir freuen uns auf Deine Bewerbung. Die vollständige Stellenausschreibung findest Du unter Stellenausschreibung Werkstudent Accessibility (PDF).
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Im MAL-Projekt hat die abschließende Evaluationsphase begonnen. Das ifib ist im Verbund für begleitende Forschung zu ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen soziotechnischer Lehr- / Lernsysteme zuständig. 2019 begann die letzte Phase der Projektlaufzeit, in der das ifib gemeinsam mit der AG Mathematikdidaktik der Universität Bremen die Demonstratoren des MAL-Systems evaluiert. Im Rahmen der ersten Evaluation haben sich die Expertinnen im Bereich Usability und Barrierefreiheit mit der Frage beschäftigt, wie die Bildungstechnologien für Mathematikunterricht möglichst gebrauchstauglich und barrierearm gestaltet werden können. Die Expertinnen haben die mobile Version vom MAL-System auf einem Tablet und auf einem interaktiven Tisch getestet, die vom Verbundpartner Digital Media Lab der Universität Bremen entwickelt wurden. Zum Abschluss konnte in einem Interview festgestellt werden, welche Designfeatures für inklusive und heterogene Lernumgebungen besonders wertvoll sind und wie diese weiterentwickelt werden können.
Beim Testversuch mit Expertinnen kam das neue Mobile Usability Lab des ifib zum Einsatz, was speziell im Rahmen des MAL-Projektes, gefördert vom BMBF, eingerichtet wurde. Nun steht uns die Auswertung des gesammelten Datenmaterials vor. Abschließend werden für das MAL-Projekt Leitlinien zur Gestaltung eines möglichst barrierefreies Algebra-Lernsystems entwickelt.
Die begleitende Forschung des ifib unterstützt unsere Verbundpartner bei der iterativen Entwicklung des MAL-Systems nach dem „ELSI by Design“-Ansatz. Analog zum Prinzip „Privacy by Design“ – Datenschutz durch Technikgestaltung“ – sollen neben den (daten)rechtlichen und -Sicherheitsaspekten auch weitere soziale und ethische Implikationen für Gender, Diversität, Inklusion und digitale Spaltung bereits in den frühen Phasen der Systementwicklung berücksichtigt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen das MAL-System den Anforderungen von Lehrenden und Lernenden gerecht machen.
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In einem internen Seminar hat die Expertinnengruppe des ifib im Bereich Usability & Barrierefreiheit unter der Leitung von Julia Finken das neue Mobile Usability Lab getestet. Das Lab wurde im Rahmen vom Projekt "MAL – Multimodal Algebra Lernen", gefördert vom BMBF, eingerichtet und wird für die Barrierefreiheit, Usability und User Experience-Tests in der Abschlussphase des Projekts verwendet. Im Seminar haben wir einen binokularen Eyetracker, eine Dokumentenkamera und ein mobiles Usability-Set in verschiedenen Anwendungssituationen ausprobiert und uns mit deren Funktionalitäten vertraut gemacht.
Mit dem wachsenden Markt mobiler Software für diverse Nutzer*innen entwickeln sich auch die Technologien für Tests. Das Mobile Usability Lab, wie es der Name verrät, eignet sich vor allem für Laborstudien und Feldversuche mit mobilen Endgeräten wie Handys und Tablets. Das Lab besteht aus drei Gerätschaften, die unterschiedlichen Umfang der Video- und Audioaufzeichnungen von Usability-Tests erlauben.
Mit dem Mobile Usability Set (s. oben rechts auf dem Foto) können Studien in natürlichen Situationen durchgeführt werden, in denen die Testperson ihr mobiles Gerät in der gewöhnten Position, z.B. zurückgelehnt in einem Stuhl, halten kann. Eine leichte Kamera mit der Halterung gibt viel Bewegungsfreiheit bei der Nutzung von Handys oder Tablets.
Zusätzlich dazu können auch große Oberflächen, wie z.B. MS Surface, oder Situationen, in den Bewegung erforderlich ist, mit einer Eye-Tracking-Brille erfasst werden (s. unten rechts auf dem Foto). Eine leichte Brille mit zwei Augenkameras bietet dabei viele Möglichkeiten für Auswertung. Beispielsweise sind Heatmap oder Bewegungspfaden der Augen damit nicht lediglich für Webanwendungen an PC-Bildschirmen, sondern auch für unterschiedliche mobile oder großflächige Anwendungen verfügbar.
Mittels einer Dokumentenkamera (s. mitten rechts auf dem Foto) können klassische Labortests mit mobilen Geräten durchgeführt werden.
Alle Geräte des Mobile Usability Labs bieten umfangreiche Auswertung der Videodaten live während der Studie und im Nachhinein mit den Aufzeichnungen an. Eine zeitgleiche Audioaufzeichnung erlaubt es zudem, Usability Tests mit weiteren Methoden wie Lautes Denken oder Interview zu triangulieren. Somit können empirisch belastbare Ergebnisse erzielt werden, die eine vielseitige Barrierefreiheit- und Usability-Evaluation mobiler Anwendungen unterstützen.
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