Am 24. April 2012 wurde in Berlin auf dem Verwaltungskongress "Effizienter Staat" der Preis für Online-Partizipation vergeben. Bewerben konnten sich Projekte in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen Verwaltungen Bürgerinnen und Bürger an Planungen oder Ideensammlungen beteiligt haben und dies zumindest teilweise auch über das Internet geschah.
Den ersten Preis hat das Projekt "Hohes Feld" der Gemeinde Wennigsen am Deister erhalten, in dem ca. 550 Einwohner eines Ortsteils zunächst an einer Ideensammlung und dann an einer Prioritätenbildung für Maßnahmen zur alters- und familiengerechten Erneuerung der öffentlichen Flächen in ihrem Ortsteil beteiligt wurden, sowohl auf Bürgerversammlungen als auch auf Internetseiten der Verwaltung. Die Fachämter haben sich bereits mit den Vorschlägen mit den höchsten Prioritäten befasst. Aktuell berät der Gemeinderat über die Umsetzung.
Die Jury lobte nicht nur diese hohe Verbindlichkeit der Beteiligung, sondern auch die hohe Beteiligungsquote, insbesondere von den vielen Einwohnern über 60 Jahre.
Das in diesem Projekt angewendete mehrstufige Beteiligungskonzept und die technische Umsetzung der Ideensammlung und der anschließenden Abstimmung wurde am ifib von mir zusammen mit Ralf Cimander, Diplom-Raumplaner, und Rebecca Romppel, Technikerin, im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes www.e2democracy.eu entwickelt. In Wennigsen wurde es einem von drei Praxistests unterzogen und durch eine begleitende Befragung evaluiert.
Das Konzept sieht eine optimierte Abfolge und Verknüpfung von Präsenzveranstaltungen und Internetangebot vor. Das Projekt in Wennigsen begann mit einer Bürgerversammlung, zu der Bürgermeister Christoph Meineke offiziell eingeladen hatte und zu der 150 der 550 Einwohner erschienen sind. Dort wurde mit der Ideensammlung begonnen, und zwar gleich mit dem Eintrag der dort geäußerten Ideen in das bereitgestellte Online-Tool, für alle über einen Beamer sichtbar. Über mehrere Wochen konnten dann online - aber auch durch Vorsprache im Bürgeramt und telefonisch sowie in drei auf der Auftaktveranstaltung gebildeten Arbeitsgruppen - weitere Ideen eingetragen und von allen Beteiligten gelesen und kommentiert werden. Zur Begleitung des Verfahrens wurde eine von der Verwaltung unabhängige Moderatorin, die ehemalige Bürgermeisterin Frau Karin Meyer gewonnen.
Zum Abschluss dieser ersten Phase bündelte die Verwaltung die eingegangenen Ideen zu einer überschaubaren Anzahl von Vorschlägen, über die in der zweiten Phase abgestimmt werden konnte.
Zuvor wurden jedoch diese zur Abstimmung zu stellenden Maßnahmen auf einer Bürgerversammlung vorgestellt und das Abstimmungsverfahren beraten. Den Anwesenden war es wichtig, dass nur Einwohner an der Abstimmung teilnehmen, andererseits wollten viele aber auch keine Registrierung mit E-Mail-Adresse oder noch stärkerer Identifizierung. Der Kompromiss war die Vergabe eines Passwortes an die Einwohner, bezogen auf ihre Straße. Stimmen konnten online oder über einen Stimmzettel abgegeben werden, der im Bürgeramt abzugeben war.
Die Ergebnisse der Abstimmung wurden dann auf der dritten Bürgerversammlung von Bürgermeister Meineke in Anwesenheit von Mitarbeitern der Fachämter und Ratsmitgliedern vorgestellt und der weitere Ablauf besprochen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der vom ifib entwickelte Fragebogen zur Evaluation des Beteiligungsverfahrens verteilt und von den meisten Anwesenden ausgefüllt. Er konnte aber auch noch einige Zeit online-ausgefüllt werden.
Von den 44 Bürgerinnen und Bürgern, die an der Befragung teilgenommen haben, haben sich 81,8 % zufrieden mit dem Ablauf des Verfahrens geäußert. Im Hinblick auf einzelne Aspekte, wie Klarheit der Ziele, Transparenz des Verfahrens, fiel die Bewertung ebenfalls sehr positiv aus:
Auch mit dem Ergebnis war die überwiegende Mehrheit zufrieden, selbst wenn die eigenen Vorschläge keine hohen Prioritäten erhalten haben:
Und für die aktuelle Diskussion über Politikverdrossenheit nicht ganz unwichtig: 56,6 % sehen die Politik in Wennigsen aufgrund dieses Beteiligungsverfahrens nun positiver als zuvor und 81 % würden an einem weiteren Verfahren in Wennigsen teilnehmen.
Wir haben uns über diese positiven Urteile der Bürgerinnen und Bürger sehr gefreut. Auch der Bürgermeister und seine Mitarbeiter waren mit dem Verfahren zufrieden.
Der nun an die Gemeinde Wennigsen verliehene erste Preis unter 12 Einsendungen ergänzt diesen Erfolg durch die Anerkennung durch die Fachleute in der fünfköpfigen Jury.
Dazu noch ein Kommentar:
Wer auf der Seite http://www.effizienterstaat.eu/Preis-fuer-Online-Partizipation/ nachliest, wird feststellen, dass ich selbst auch zu dieser Jury gehört habe. Daher noch ein paar Worte zum Bewertungs- und Auswahlverfahren: Die Redaktion des Behördenspiegels, der zusammen mit der init-AG den Preis ausgelobt hat, hat den Jurymitgliedern eine Kriterienliste zur Verfügung gestellt, nach der jedes der eingereichten 12 Projekte bewertet werden sollte. Selbstverständlich habe ich für das Projekt Hohes Feld keine Bewertung abgegeben. Vielmehr wurden die Voten der anderen Jurymitglieder um einen entsprechenden Faktor höher gewichtet, um die Gleichnamigkeit mit den anderen Projekten mit einer größeren Anzahl von Voten herzustellen. Dabei hat das Projekt in Wennigsen die höchste Punktzahl erreicht. In einer Diskussion der verschiedenen Kriterien in einer Telefonkonferenz wurde dieser quantitative Spitzenplatz dann auch durch die gute Beschreibung der Einzelheiten in der Bewerbung bestätigt.
Die Dokumentation des Projekts Hohes Feld findet man unter http://www.stateboard.de/wennigsen
Aktuell wird dasselbe Grundkonzept mit einem inhaltlich und Layout-mäßig angepassten Tool in einem Umwelt-Dialog in Bremerhaven eingesetzt. (http://www.stateboard.de/bremerhaven)
Das beiden Beispielen zugrundeliegende Tool sowie das begleitendende Evaluierungsinstrument kann auch von anderen Kommunen als Online-Begleitung von lokalen Beteiligungsprozessen eingesetzt werden. Anfragen bitte an Kubicek@ifib.de
Herbert Kubicek
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