Neue Formen der Bürgerbeteiligung mit ausschließlicher oder komplementärer Nutzung des Internets (E-Partizipation) gewinnen angesichts veränderter politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen immer mehr an Bedeutung. Durchgesetzt haben sie sich jedoch bislang nicht - nicht zuletzt wegen der nach wie vor bestehenden Unklarheiten über die Kosten auf der einen und die erzielbaren Effekte auf der anderen Seite. Die angebotenen Leitfäden und Empfehlungen basieren in der Regel auf Verallgemeinerungen aus einigen wenigen Erfahrungen und nicht auf systematischen Analysen. Eine soeben erschienene, vom ifib in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung erstellte Studie will diese Wissenslücke schließen.
In einer vergleichenden Analyse von zwölf als erfolgreich geltenden Fallbeispielen von E-Partizipation in den Bereichen Bürgerhaushalte, Planungsvorhaben, Gesetzeskonsultationen und Leitbildentwicklung wird untersucht, welche Wirkungen und welcher Nutzen sich für Beteiligungsverfahren nachweisen lassen und welche Faktoren für die Erreichung bestimmter Beteiligungsziele eine wichtige Rolle spielen. Anhand eines eigens für diese Untersuchung entwickelten Evaluationsrasters wird erstmals in methodisch fundierter und nachvollziehbarer Art und Weise aufgezeigt, inwieweit es in diesen zwölf Fällen gelungen ist, die mit Beteiligung üblicherweise verbundenen Ziele zu erreichen. Danach kann Bürgerbeteiligung dazu beitragen,
- Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen zu finden,
- Bedarfe und Interessen der Bevölkerung besser aufzunehmen und auszugleichen und
- Verständlichkeit und Akzeptanz von Maßnahmen zu fördern.
Und sie kann - wo dies gewünscht ist - den sich beteiligenden Bürgerinnen und Bürgern auch den erhofften Einfluss auf die zur Konsultation gestellten Planungen und Entscheidungen eröffnen. Allerdings hat keines der untersuchten Projekte alle diese Zielsetzungen in gleichem Maße erfüllt. Daraus ergibt sich die Empfehlung, für ein konkretes Beteiligungsvorhaben Ziele zu priorisieren und es daraufhin auszurichten.
In Bezug auf Erfolgsfaktoren von Bürgerbeteiligung hat die vergleichende Analyse ergeben, dass in allen zwölf Beispielen trotz unterschiedlicher Konsultationsziele, -methoden und -gegenstände drei Bedingungen stets in hohem Maße gegeben waren: (1) eine klare Zielsetzung für die Konsultation, (2) ein Thema von hoher Dringlichkeit und (3) die Bereitstellung ausreichender Ressourcen.
Für die in der Literatur genannten Faktoren Transparenz, Anschlussfähigkeit und Verbindlichkeit des Konsultationsverfahrens konnte hingegen kein durchgehend starker Zusammenhang mit allen betrachteten Erfolgskriterien nachgewiesen werden. Vielmehr sind für die einzelnen Erfolgskriterien und die entsprechenden Beteiligungsziele jeweils einzelne Faktoren als besonders relevant identifiziert worden:
- So erscheint für die Gewinnung lösungsrelevanter Informationen ein hoher Grad an Professionalisierung, vor allem in Form der Unterstützung und Moderation durch externe Dienstleister, maßgeblich.
- Eine hohe Reichweite und Inklusivität des Beteiligungsverfahren wurde erreicht, wenn intensive Maßnahmen zur Mobilisierung von Teilnehmern, durch umfangreiche Werbung und die Einbindung von Multiplikatoren ergriffen worden sind.
- Die Akzeptanz von Entscheidungen war dort groß, wo ein hohes Maß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens hergestellt und Rechenschaft über die Verwendung der Ergebnisse der Konsultation gegeben wurde.
- Für den Einfluss auf Entscheidungen hat sich die Herstellung von Transparenz und die Anschlussfähigkeit des Beteiligungsverfahrens an die üblichen Entscheidungsprozesse als regelmäßige Erfolgsbedingung erwiesen.
Diese Zusammenhänge sind überwiegend nicht überraschend, sondern entsprechen durchaus bisherigen Erwartungen und Annahmen. Auf der Grundlage der Auswertung von zwölf Projekten können diese Annahmen jedoch nun empirisch gestützt werden und daher mit größerem Vertrauen zur Planung von Beteiligungsprojekten herabgezogen werden. Allerdings können aus dem Nachweis in einer noch recht kleinen Anzahl von Fällen keine Erfolgsgarantien abgeleitet werden, sondern nur die Empfehlung, bei Projekten mit den jeweiligen Zielsetzungen auf die genannten Faktoren besonders zu achten und dafür entsprechende Ressourcen zu beschaffen und einzusetzen. Wenn dies nicht gelingt erscheint die Erreichung der jeweiligen Ziele unwahrscheinlich und man sollte sich überlegen, ob dann der Start eines entsprechenden Projekt überhaupt sinnvoll ist.
Die für die Analyse verwendeten Befunde aus den entsprechenden Projektberichten sind auf einer dem Buch beigefügten CD-ROM dokumentiert. Daraus geht auch konkret hervor, wie in den Projekten die Erfolgskriterien ermittelt und welche Maßnahmen im Sinne der genannten Erfolgsfaktoren im Einzelnen ergriffen worden sind.
Herbert Kubicek, Barbara Lippa, Alexander Koop: Erfolgreich beteiligt? Nutzen und Erfolgsfaktoren internetgestützter Bürgerbeteiligung - Eine empirische Analyse von zwölf Fallbeispielen. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2011
Abbildung: Ausschnitt Buchcover Bertelsmann
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