Am 4. Oktober 2012 hat in Wien die erste Open Government Data Konferenz für den deutschsprachigen Raum stattgefunden. Die Arbeitsgemeinschaft für Datenverarbeitung (ADV) hat in Kooperation mit dem Bundeskanzleramt, der Stadt Wien und der Donauuniversität Krems über 100 Akteure aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein in den „Brennpunkt“, ein Wiener Museum der Heizkultur, gelockt und ihnen mit einem Programm mit über 30 Vorträgen, Workshops und Panels eingeheizt.
Es handelt sich um die erste einer geplanten Reihe so genannter D-A-CH-LI Konferenzen, „die die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Dimension, die aus der Öffnung und Nutzung öffentlicher Daten entsteht, im Sinne von Chancen und Herausforderungen im DACHLI Raum erörtern will.“ Bei diesem ersten Schritt standen allerdings noch die Bestandsaufnahme sowie Hoffnungen auf große Effekte im Vordergrund. Mein Beitrag war als (selbst-)kritische Reflektion gedacht, beurteilt die aktuellen Open Government Data Aktivitäten an dem häufig verkündeten Ziel der Erreichung größerer politischer Transparenz und setzt sie ins Verhältnis zu anderen Maßnahmen zu diesem Zweck, insbesondere den Informationsfreiheitsgesetzen.
Meine Kritik am Status Quo und meine Empfehlung, wie in Bremen und nun auch in Hamburg, die Open Data Aktivitäten stärker mit dem allgemeinen Zugang zu Dokumenten und fachspezifischen Veröffentlichungspflichten zu verknüpfen, fiel schon deshalb nicht auf fruchtbaren Boden, weil es in Österreich und der Schweiz kein Informationsfreiheitsgesetz gibt. In Österreich wird die Transparenz der Verwaltung durch das Auskunftsverpflichtungsgesetz von 1987 beschränkt, das zwar ein Recht auf Auskunft gewährt, aber noch nicht einmal eine Einsicht in Dokumente der Verwaltung ermöglicht. Daran will anscheinend zur Zeit auch keine politische Kraft etwas ändern. Und eine wirksame Hilfe durch Piraten ist auch nicht in Sicht. In der Schweiz gibt es das Bundesgesetz zum Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung aus dem Jahr 2004, das zwar eine Einsichtnahme, aber keine pro-aktive Veröffentlichungspflicht kennt.
Vor diesem Hintergrund wurde meine Kritik am Status Quo sehr zurückhaltend aufgenommen. In vielen Vorträgen wurde die Bereitstellung von Daten mit mehr Information und diese mit größerer Transparenz gleichgesetzt. Rohdaten über Toiletten-Standorte, Ozon-Werte, Parkplätze, Bevölkerungsbewegungen und den verabschiedeten Haushalt tragen aber nicht zu politischer Transparenz bei, wenn darunter, wie allgemein üblich, die Nachvollziehbarkeit und das bessere Verständnis von politischen Entscheidungen verstanden wird. Das spricht nicht gegen diese Daten und deren Bereitstellung, sondern nur gegen eine falsche Zuordnung. Die derzeit bereitgestellten Daten können die Alltagsorientierung verbessern. Sie zielen auf eine Kooperation der Verwaltung mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft, sollten aber ehrlicherweise nicht als Beitrag zu mehr Transparenz etikettiert werden.
Noch schwerer zu akzeptieren war die These, dass Rohdaten alleine grundsätzlich keinen Beitrag zu mehr Transparenz leisten können, wie dies in dem bekannten Säulendiagramm suggeriert wird.
Open Data als Basis für Transparenz? (Quelle: EU Kommission, Malmö Ministererklärung zum E-Government (2009) und Digitale Agenda (2010))
Rohdaten sind ein ungeeigneter Ansatzpunkt, weil es sich dabei um de-kontextualisierte Informationen handelt., Transparenz aber immer kontextabhängig hergestellt werden muss, d.h. Daten müssen ins Verhältnis zu den Entscheidungsprozessen und deren Ergebnisen gesetzt werden, deren Transparenz sie verbessern sollen. Die Priorität auf die Bereitstellung von Rohdaten statt von Dokumenten zu legen, ist so als würde ein Automobilhersteller nicht Bilder und Angaben zu seinen Modellen sondern den Ersatzteilkatalog ins Internet stellen.
Erst als ich empfohlen habe, Dokumente und Rohdaten über wechselseitige Links zu verbinden, um so die Daten in ihren Kontext stellen zu können, wurden die Minen wieder freundlicher. Man kann mit Rohdaten zu mehr Transparenz beitragen, indem man einen Pfad von einem Dokument zu den ihm zugrunde liegenden Rohdaten zwecks intensiverer Überprüfung legt und umgekehrt bei den Rohdaten auf Dokumente verweist, in denen sie verwendet werden und deren Gewinnung näher beschrieben wird. So kann man zunächst auf freiwilliger Basis Informationsfreiheit und Offene Daten zusammenzubringen, wenn auf absehbare Zeit keine gesetzliche Veröffentlichungspflicht für Dokumente erreichbar ist. Die Folien mit dieser Kritik und dieser Perspektive finden sie hier.
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Nächster Eintrag: Medienbildung muss früh beginnenIch beschäftige mich seit einigen Jahren aus Nutzersicht mit dem Thema OGD und kann den oben gemachten Ausführungen nur zustimmen.
Als Informationsdienstleister für Rechtsinformationen agieren wir als Aggregator von Rohdaten und Dokumenten und den Wissensmodellen, die diese Informationen zusammenbringen und kontextualisieren. Als ich begann, mich mit dieser Materie zu beschäftigen, ging ich wie selbstverständlich davon aus, daß es bei OGD um die Veröffentlichung von Dokumenten ging, die für unsere Kunden (wie Juristen oder auch wiederum Verwaltungen) den politischen Prozess z.B. zu rechtlichen Regelungen transparenter machen würden. Ich musste erkennen, daß dies aber so gut wie gar nicht auf der Agenda stand, sondern es hauptsächlich um statistische oder Geodaten ging, deren Mehrwert ich erst im Zusammenhang mit dem oben genannten Begriff “Alltagsorientierung” erkennen konnte. Somit bleibt aus meiner Sicht noch ein sehr weites Feld übrig. Soweit ich informiert bin, will das Publication Office der EU in diese Richtung verstärkt arbeiten, aber ansonsten sind mir leider nur wenige andere Initiativen bekannt.
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