In der letzten Woche berichtete der Weser-Kurier: „Die Hansestadt ist im ersten bundesweiten „Transparenz-Ranking“, das am Donnerstag von „Mehr Demokratie e.V.“ und „Open Knowledge Foundation“ veröffentlicht wurde, auf dem dritten Platz gelandet. Spitzenreiter sind Hamburg und Schleswig-Holstein. Bremen erreicht 62 von 100 möglichen Punkten.“
Dritter Platz klingt gut. 62 von 100 Punkten nicht so sehr. In dem 22 Seiten umfassenden Bericht (https://transparenzranking.de/static/files/ifg-ranking.pdf) sieht man, dass der Abstand zu den beiden Spitzenreitern nicht sehr groß ist. Hamburg hat 69 Punkte, Schleswig-Holstein 66 Punkte. Am unteren Ende der Tabelle liegen Baden-Württemberg mit 32 Punkten sowie Bayern, Hessen, Sachsen und Niedersachsen mit jeweils 0 Punkten, weil es dort kein IFG gibt.
Wird hier wirklich Transparenz verglichen?
Der Weser Kurier greift den Begriff “Transparenz-Ranking“ auf. Der wird in dem Bericht auch verwendet, aber gleich gefolgt von der Konkretisierung, dass „erstmals die Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze der deutschen Bundesländer verglichen wurden“ (S.4). Aber darf man das Transparenz-Ranking nennen? Kann man Transparenz an gesetzlichen Reglungen messen?
In der Literatur wird zum Beispiel zwischen strategischer und rezipierter Transparenz unterschieden. Strategische Transparenz ist, was die Verwaltung beabsichtigt, rezipierte Transparenz, was bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt (vgl. ausführlicher Breiter/Kubicek 2016). Allgemeiner gesagt: Transparenz ist ein objekt- und subjekt-relatives Phänomen. Man muss immer fragen: Transparenz worüber und für wen. Hier: Transparenz des Verwaltungshandelns für die Bürgerinnen und Bürger. Diese Transparenz soll strategisch durch das Recht auf Zugang und Einsichtnahme oder Überlassung von Dokumenten erfolgen. Selbstverständlich ist das Recht auf Zugang dazu eine wichtige Voraussetzung, aber eben auch nur eine Voraussetzung. Bürgerinnen und Bürger müssen dieses Recht zunächst einmal kennen, was nach einer bei der Evaluierung des BremIFG durchgeführten telefonischen Bevölkerungsumfrage keineswegs der Regelfall ist. Dann müssen sie es in Anspruch nehmen wollen, die entsprechenden Schritte tun, das Dokument lesen, verstehen und sich dann ein Urteil über das Verwaltungshandeln bilden. Wobei es sein kann, dass das, was man prüfen wollte, sich aus dem Dokument gar nicht erkennen lässt. Studien zu konkreten Fällen belegen, dass diese Kette an vielen Stellen abbricht und die Bereitstellung von Informationen keineswegs zu mehr Transparenz auf der Seite der Bürgerinnen und Bürger führt (auch hier ausf. Breiter und Kubicek). Das alles wird in dem Bericht zum Ranking nicht erwähnt. Es wäre ehrlicher (und transparenter), wenn schon in der Überschrift deutlich gemacht würde, dass es sich um ein Ranking der Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze der Bundesländer und des Bundes handelt, also um einen Rechtsvergleich.
Kann man Regelungen zum Informationszugang angemessen quantitativ vergleichen?
Das vorliegende Ranking der gesetzlichen Regelungen unterscheidet sechs Aspekte („Kategorien“) und weist ihnen unterschiedliches Gewicht durch die Anzahl der jeweils erreichbaren Punkte zu:
Informationsrecht | 28 Punkte |
Auskunftspflichten | 20 Punkte |
Ausnahmen | 18 Punkte |
Antragstellung | 14 Punkte |
Gebühren | 10 Punkte |
Informationsfreiheitsbeauftragte(r) | 10 Punkte |
Summe | 100 Punkte |
Die Punktzahl pro Kategorie setzt sich aus den Punktzahlen für mehrere einzelne Indikatoren zusammen, die durch einfache Ja-/Nein-Fragen ermittelt werden. So werden die 28 Punkte für die Kategorie Informationsrecht erreicht, wenn u.a. folgende Fragen bejaht werden:
- Proaktive Veröffentlichung: Die Behörden stellen von sich aus Daten bereit, ohne dass hierfür ein Antrag erforderlich ist (2 Punkte)
- Verfassungsrechtlicher Anspruch: Das Recht auf Informationszugang ist in der Landesverfassung verankert (2 Punkte)
- IFG und UIG zusammengefasst und harmonisiert: Die Zusammenfassung der Informationsansprüche in einem Gesetz ist übersichtlicher und bürgerfreundlicher (2 Punkte)
- Elektronische Aktenführung: Die e-Akte vereinfacht die Beantwortung von Fragen und die proaktive Bereitstellung von Daten. Kosten spart sie auch (2 Punkte)
Teilweise wird hier gegen das Prinzip möglichst objektiv feststellbarer Indikatoren verstoßen. Ob die elektronische Aktenführung die Beantwortung von Fragen vereinfacht und Kosten spart, ist keineswegs sicher. Und im Gegensatz zu den anderen genannten Indikatoren ist auch von außen nicht feststellbar, ob und wie weit in der gesamten Landesverwaltung die e-Akte eingeführt worden ist, zumal wenn es der Kreis der auskunftspflichtigen Stellen weit über die Kernverwaltung hinausgeht.
Bei anderen Indikatoren, deren Fehlen z. B. bei Bremen als Verbesserungspotenzial in dem Artikel erwähnt wird, dominiert eine technische Brille. So gibt es zwei Punkte für eine „Antragsassistenz“ im Sinne eines Tools im Internet. Das häufigste Problem bei der Antragstellung ist, dass man bei einem bestimmten Informationswunsch nicht weiß, welches Dokument man bei welcher Behörde anfordern soll. Ob ein Tool im Internet besser hilft als die Möglichkeit nach dem BremIFG, sich per E-Mail oder Telefon an die Informationsfreiheitsbeauftragte zu wenden, die verpflichtet ist, solche Unterstützung zu leisten, darf bezweifelt werden.
Der Haupteinwand gegen das vorliegende Verfahren ist jedoch, dass auf der Ebene der Indikatoren sehr unterschiedliche Sachverhalte gleich gewichtet werden. Ist es denn für die letztlich angestrebte Transparenz gleichermaßen wichtig, ob der Anspruch in der Verfassung verankert ist oder ob es eine Antragsassistenz gibt, ob IFG und UIG harmonisiert sind oder ob es die E-Akte gibt. Alles geht mit je zwei Punkten in die Gesamtwertung ein. Im Fall der Informationsrechte ist den Autoren außerdem ein Fehler unterlaufen. Addiert man die insgesamt 10 Indikatoren, so kommt man nur zu 20 und nicht wie bei der Darstellung des Index angegeben zu 28 Punkten. Da bei allen Gesetzen so acht Punkte fehlen, ändert das nichts an der Rangfolge, aber an den Prozentwerten und trägt nicht zum Vertrauen in diese Bewertung bei.
Bewertungs-Transparenz
Zu einem transparenten Ranking gehört zunächst, dass die Indikatoren, deren Gewichtung und die konkrete Punktevergabe offengelegt werden.
Für welche Indikatoren jeweils wie viele Punkte mit welcher Begründung vergeben werden, wird in dem Bericht nicht dargelegt. Aber wenn man etwas googlet, findet man für jeden einzelnen Indikator die vergebene Punktezahl mit Begründung (hier: https://transparenzranking.de/laender/bremen/). Darauf hätte man in der Broschüre verweisen können. Dann fällt allerdings auf, dass Bremen dort sogar einen Punkt mehr erhält. Es gibt keine Angaben zum Bewertungsverfahren und die Bewerter werden nicht genannt. Vier-Augen Prinzip und unabhängige Bewerter sind Grundstandards solcher Bewertungen. In dem Bericht wird nicht angegeben, wer die Punkte vergeben hat. Man darf annehmen, dass es Mitglieder des Vereins Mehr Demokratie e.V. und der Open Knowledge Foundation waren. In der Einführung wird erwähnt, dass gerade diese beiden Organisationen das Hamburger Transparenzgesetz angestoßen und an seiner Formulierung mitgewirkt haben. Wenn nun Hamburg auf dem ersten Platz landet, weckt dies Zweifel an der gebotenen Unabhängigkeit der Bewertenden.
Redaktionelle Fehler
Aus offen zugegebener Parteilichkeit muss bei dieser Gelegenheit die häufig verbreitete Fake-News korrigiert werden, das Hamburger Transparenzgesetz wäre das erste Bundesland gewesen, das eine proaktive Veröffentlichung vorschreibt. Dies gilt für Rohdaten, aber nicht, wie in diesem Bericht behauptet für die allgemeinen Informationspflichten. Bremen hat diese Verpflichtung und damit das zentrale Informationsregister nicht erst mit der ersten Novellierung 2011, sondern schon im ersten IFG 2006 vorgegeben. 2011 wurde der Katalog der zu veröffentlichenden Informationen erweitert und 2015 wurden aus dem „Soll“ ein „Muss“.
Welche Art von Vergleich ist denn angemessen?
Wenn wir die Addition gleicher Punktzahlen für unterschiedlich wichtige Sachverhalte als nicht angemessen kritisieren, bleibt die Frage, wie man es denn besser machen könnte. Ein Vergleich ist sinnvoll. Die Kategorien auch. Selbst die ausgewählten Indikatoren erscheinen uns überwiegend tragfähig. Statt sie mit einem JA und einer Punktzahl zu bewerten, kann man die jeweiligen Passagen aus den Gesetzen in einer Synopse gegenüberstellen und es den Leserinnen und Lesern überlassen, zu entscheiden, was sie für transparenzfördernder halten und was nicht. Das zeigen wir beispielhaft anhand eines Vergleichs des IFG Bund, des Hamburger Transparenzgesetzes sowie des Brem IFG und des Transparenzgesetzes Rheinland-Pfalz. Man sieht daran sehr gut, wie unterschiedlich die einzelnen Formulierungen sind und was bei der Reduzierung auf Punktwerte an Erkenntnissen verloren geht. Wenn die Autoren betonen, ihr Hauptziel sei es, Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen, dann würden sie dies sicherlich mit einer solchen Synopse besser erreichen. Und wenn es am Ende doch Punkte sein sollen, dann wäre eine solche Synopse, in der jedem Textauszug ein Punktwert zugeordnet wird, ein transparentes Verfahren.