Gestern erschien ein von Prof. Raoni Rajão (UFMG, Brasilien) und mir verfasster Artikel zur Rolle von (offenen) Daten für Umweltschutzorganisationen im Amazonas Brasiliens. Der Artikel erschien im Journal for Social Movement Studies und untersucht den Zusammenhang zwischen "Datentransparenz" und Umweltaktivismus. Zu diesem Zweck analysieren wir die Geschichte von PRODES und DETER, zwei vom brasilianischen Institut für Weltraumforschung (INPE) entwickelte, satellitengestützte Erdüberwachungssysteme. Wir analysieren ihre Rolle für Umweltschutzorganisationen und die Formulierung von Umweltschutzgesetzen für den Amazonas in den letzten drei Jahrzehnten. Basierend auf dieser Analyse argumentieren wir, dass die Aggregationsebene (z.B. regionale Zahlen vs. Einzelereignisse) und die Zeitlichkeit (z.B. jährliche Konsolidierungen vs. zeitnahe Veröffentlichungen) von offenen Daten Umweltschutzorganisationen verschiedene Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Aggregierte Zahlen haben aufgrund ihrer Einfachheit und ihres Umfangs tendenziell eine größere politische Bedeutung, lassen aber nur sehr wenig Raum für Neuinterpretationen und Beiträge von Umweltaktivisten. Disaggregierte Daten erlauben zwar mehr (unerwartete) Neuinterpretationen und Ergänzungen durch die Verschränkung verschiedener Datensätze, erfordern aber auch das Eingreifen von Umweltaktivisten und anderen Informationsvermittlern, um Bedeutung für die breite Öffentlichkeit zu erlangen. Auch wenn konsolidierte Datensätze den Vorteil haben, dass sie mehr Zeit für die Erstellung von Daten höherer Qualität lassen, werden sie oft an einem Punkt im politischen Entscheidungsprozess veröffentlicht, an dem die negativen Auswirkungen der derzeitigen Entscheidungen unumkehrbar sind. Gleichzeitig können häufigere Datenfreigaben zu schnelleren Richtlinien führen. Wir schließen den Artikel mit dem Argument, dass (offene) Monitoringdaten also nicht nur einfach Regenwaldabholzung beobachtbar machen , sondern dass die Konfiguration der Daten (d.h. räumliche und zeitliche Aggregationsebenen) soziale Wirklichkeit verändert, indem sie unterschiedliche Objekte (z.B. ein bedrohter Amazonas, eine erfolgreiche Politik) und Subjekte (z.B. sachkundige Umweltaktivisten, eine nicht reagierende Regierung) hervorbringt.
Den gesamten Artikel finden sie hier.
Die Forschungskooperation wurde u.a. durch Unterstützung der Universität Bremen und des Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) ermöglicht.