Sie sind hier:  
  1. ifib-research
  2. Blog
  3. Detail

Ein Wunder ist auf dem Weg - Endlich ELFE

Seit rund 20 Jahren wird diskutiert, warum  im E-Government so wenige Bürgerdienste komplett online angeboten werden und diese wiederum oft kaum genutzt werden. Einer der Hauptgründe ist ein zu geringer Mehrwert für Verwaltung und für die Bürgerinnen und Bürger. Wenn stets nur ein Formular in einem eigenen Dienst online ausgefüllt und abgeschickt werden kann, bleibt die Nachfrage gering. Um einen größeren Nutzen für beide Seiten zu erzeugen, muss mehr passieren. Schon früh wurde beim Einsatzes von IT in Unternehmen erkannt, dass damit eine Chance verbunden ist, die bisherigen Abläufe zu überprüfen und neu zu organisieren (Process Reengineering). Für E-Government hat die EU-Kommission dies zu Beginn dieses Jahrhunderts Back-Office-Integration genannt und eine Studie für Beispiele guter Praxis ausgeschrieben, die ifib damals zusammen mit einem dänischen Partner gewonnen und durchgeführt hat. Im Ergebnis wurden 17 ausführliche Fallstudien zu Beispielen geglückter Back-Office-Integration angefertigt, die heute noch einsehbar sind.

 

Mein Lieblingsbeispiel war und ist die irische Lösung für IT-enabled Child Benefit (PDF), wo nicht mehr die Eltern nach der Geburt Dokumente bei einer Verwaltung holen müssen, um sie einer anderen vorzulegen, sondern wo Interoperabilität zwischen den beteiligten Back-Offices hergestellt wird und die Ergebnisse eines Teilprozesses zum Input des nachfolgenden werden. Wir haben den Vorher-Nachher-Vergleich damals (2005) vereinfacht so dargestellt. In der deutschen Diskussion wurde diese grundsätzliche Idee mit dem Slogan auf den Punkt gebracht: „Nicht die Bürger, sondern die Daten sollen laufen“.

 

 

Ich habe immer wieder in Veröffentlichungen auf dieses Prinzip und dieses Beispiel hingewiesen und unter anderem argumentiert, dass solche Projekte einen deutlich höheren Nutzen für beide Seiten stiften als die von vielen geforderten Bürgerkonten - die ja selbst keinen einzigen Dienst mit großem Mehrwert schaffen ( „Erst die Dienste, dann das Portal!“).*) Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass sich in den silo-artigen Strukturen der Verwaltung die für eine komplette Prozesskette von der Geburt bis zur Überweisung von Eltern- und oder Kindergeld zuständigen drei bis vier Ressorts auf ein gemeinsames Konzept der Back-Office-Integration einigen. In Bremen hat es das Referat E-Government jedoch tatsächlich geschafft, einen entsprechenden Planungsprozess einzuleiten. Als Ergebnis hat das zuständige Referat ein Konzeptpapier (PDF) erstellt, das einen Lösungsweg und die dazu erforderlichen technischen und rechtlichen Voraussetzungen in einer Klarheit und Umsicht darlegt, wie ich dies noch in keinem anderen Fall gesehen habe. Und noch eine Innovation im Vorgehen: Um die üblichen Bedenken auszuräumen, dass so etwas viel zu kompliziert sei, wurde eine App entwickelt, mit der man mit fiktiven Daten den einfachen Prozess durchspielen kann.

 

Ich kannte das Konzeptpapier bis Freitagmorgen nicht. Und mir war auch nicht bewusst, dass ein Bundesland die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche organisatorische und technische Integration nicht selbst herstellen kann, weil alle drei Teilprozesse Gegenstand von Bundesgesetzen sind, die zudem noch in den Zuständigkeitsbereich unterschiedlicher Bundesministerien fallen. Dies ist normalerweise der Punkt, an dem auch engagierte Befürworter einer innovativen Lösung aufgeben. Wieder zu meiner Überraschung ist das Finanzressort vor dieser Herausforderung nicht zurückgeschreckt, sondern hat Verbündete gesucht. Am vergangenen Freitag hat Finanzsenatorin und stellvertretende Bürgermeisterin Karoline Linnert im Bundesrat nun eine Initiative eingebracht, in der der Bund aufgefordert wird, die gesetzlichen Änderungen im Melde- und Personenstandsgesetz sowie den rechtlichen Bestimmungen zu Elterngeld und Kindergeld zu schaffen.

 

Das war der Anlass, dass ich am Freitag in Buten und Binnen meiner Freude über diese Beharrlichkeit zum Ausdruck bringen konnte.

 

Einen kleinen Kritikpunkt kann ich mir nicht verkneifen: Das Projekt sollte mal E-Geburt heißen. Glücklicherweise heißt es jetzt nicht so, sondern ELFE  für „Einfach Leistungen für Eltern“. Buten und Binnen hat daraus „Einfache Leistungen für Eltern“ gemacht (Adjektiv statt adverb).  Ich denke, das ist sprachlich besser und auch treffender, denn einfach wird auch der verbleibende Weg bis zum Ziel nicht!

 

*) z.B. Kubicek, Herbert (2016): Bürgerkonten sind für E-Government kein starker Treiber. in: Innovative Verwaltung 4/2016, S. 37-40 oder Kubicek, Herbert (2017): Bürgerfreundliche Bürgerdienste Online: Entscheidend ist das Back-Office. in: Jörn von Lucke und Klaus Lenk, Verwaltung, Informationstechnik & Management. Festschrift für Heinrich Reinermann zum 80. Geburtstag, Baden-Baden: Nomos, S. 239 - 254.



Kommentare  Öffentliche Verwaltung  E-Government