Vor dem Hintergrund einer alternden Personalstruktur (ca. 30.000 Beschäftigte der Berliner Landesverwaltungen gehen in den nächsten Jahren in Rente) sowie steigender Bevölkerungszahl – und damit erhöhten Verwaltungsbedarfs – lud der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller zur Eröffnung zu „Berlins größtem Bewerbungsgespräch“. Aufgrund der genannten Entwicklungen ist es inzwischen eher die Verwaltung, welche sich bei den Bürger/innen als interessante/r Arbeitgeber/in bewirbt als andersherum. Die innovative Ausrichtung der Tagung unterstrich schließlich Charles Landry, Autor des Buchs „Creative Bureaucracy“, indem er das inoffizielle Motto des Festivals vorstellte:
Wie kommen wir in der Verwaltung von „Nein, weil…“ hin zu „Ja, wenn…“ als Antwort auf neue Ideen?
Um diese neuen, kreativen Ideen zu generieren wurden in den Workshops diverse Techniken thematisiert. Die kollegiale Beratung beispielsweise, welche eine Struktur für die interne Erörterung und Lösung von Problemen darstellt, weist MitarbeiterInnen verschiedene Rollen in diesem Prozess zu. Neben einem/r Problemsteller/in, dessen/deren formuliertes Problem es zu lösen gilt, gibt es eine/n Moderator/in und eine/n Protokollant/in. Die weiteren teilnehmenden Mitarbeiter/innen sind beratend tätig. Unsere Gruppe diskutierte die Motivation von Mitarbeiter/innen während Veränderungsprozessen und stellte die besondere Bedeutung der Wertschätzung für die Teilnahme am Veränderungsprozess, klare Formulierung des Nutzens der Veränderung und den ernsten Umgang mit etwaigen Ängsten der Beteiligten heraus.
In einem weiteren Workshop – dieses Mal nach dem Vorbild der Design Thinking Methode – arbeiteten wir an einer Lösung für den oft angstbehafteten, ablehnenden Umgang mit neuen, digitalen Technologien in der Verwaltung. Das von uns entwickelte Konzept „Become a #techbuddy“ sah die halbjährlich rotierende Rekrutierung von Techbuddies (Digitalpat/innen) – bspw. für die dort benutzte Fachverfahrenssoftware – aus dem Mitarbeiter/innenkreis vor. Diese sollten einerseits technisch, aber vor allem pädagogisch geschult werden, wie man niedrigschwellige Unterstützung im Umgang mit digitalen Technologien leisten kann. Ein besonderes Augenmerk gilt hierbei dem partizipativen, egalitären Charakter der Beratung unter Kolleg/innen, welches ein Arbeitsklima schafft, in dem sich jede/r traut seine/ihre Fragen zu stellen und Unsicherheiten zu klären.
Interessante Beispiele aus der Praxis wurden ebenso vorgestellt. In Heidelberg wurde bspw. ein „Amt für unlösbare Aufgaben“ gegründet – kurz gesagt eine Projektgruppe, welche es zur Aufgabe hatte, hemmende Routinen in der Verwaltung zu identifizieren und mit Raum und Budget für Experimente ausgestattet ist, für diese innovative Lösungen zu finden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Bremen war der Erfahrungsbericht aus der Berliner Senatsverwaltung interessant. Berlin führt momentan den Kita-Navigator ein. Hierbei handelt es sich um eine App, in der die Berliner Kitas gelistet sind. Jede Kita kann sich dort vorstellen und die Eltern können sich über die App für die Plätze bewerben. Schon bereits versorgte oder zwischenzeitlich verzogene Kinder werden umgehend an den Träger und die Berliner Verwaltung gemeldet.
Zum Abschluss gab es noch eine ‚FuckUp Night‘, in der die Protagonist/innen von deutschlandweit bekannten Behördenversagen über die Gründe des Scheiterns berichteten. Neben dem Geschäftsführer des Berliner Flughafens BER standen hier in lockerer Atmosphäre hochrangige Vertreter des während der Hochphase der ‚Flüchtlingskrise‘ in Kritik geratenen Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), des seit mehr als 15 Jahren geplanten Projekts Gesundheitskarte und des schleppenden Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses Rede und Antwort – ohne an Selbstkritik und einsichtsreichen Rückblicken zu sparen.
Die Bedeutung solcher Zusammenkünfte wie es das „Creative Bureaucracy Festival“ darstellt, kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Eine kreative, funktionierende Verwaltung kann immer nur in Gemeinschaft funktionieren. Daher sind solche Austauschmöglichkeiten zwischen Verwaltungs-, Forschungs-, Beratungs- und Gesellschaftsvertretern unabdingbar, um adäquate, zeitnahe Lösungen für aktuelle und in Zukunft auftretende Herausforderungen im Öffentlichen Sektor zu entwickeln.