Für die Medienbildung ist eine aufregende Woche zu Ende gegangen. Der Höhepunkt war sicherlich der Auftritt der Bundeskanzlerin am Donnerstag auf dem IT-Gipfel der Bundesregierung. Im Glanze der politischen Prominenz wurde auch das Thema Digitalisierung in den Schulen hell beleuchtet. Zwei Vorzeigeprojekte hat die Bundesregierung finanziert: (1) die Bildungscloud, konzipiert und umgesetzt durch das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam, (2) die Entwicklung des Mini-Computers Calliope durch eine gemeinnützige GmbH in der auch die Internetbotschafterin der Bundesregierung mitwirkt (Honi soit qui mal y pense) und dessen flächendeckende Verbreitung in den Grundschulen (beginnend mit dem Saarland) zur Förderung der Informatik-Kompetenz.
Beides für sich genommen spannende Projekte. Aber sowohl ordnungspolitisch (Bundes-Cloud) als auch pädagogisch-didaktisch (Calliope) höchst fragwürdig und ein stückweit auch naiv. Wie und warum soll eine top-down Initiative, die technikgetrieben ist, die Schule verändern? Die Bundes-Cloud setzt an einer Stelle an, wo die Länder bereits eigene Cloud-Lösungen entwickelt haben, was soll die Bundes-Cloud mehr können? Es zeigt sich bereits jetzt, dass die Entwickler wenig von Schule verstehen. Da wünscht man sich, dass sie einmal in eine Schule vor Ort gehen. Das gilt umso mehr für den Mini-Computer. Ich habe ihn schon mal ausprobiert und bin begeistert, was damit alles geht. Aber in der Grundschule? Warum? Was ist das Ziel? Und welche Lehrkraft soll das wann umsetzen und wie erwerben sie ihre Kompetenz? Unsere Studien zur Medienbildung in Grundschulen haben ja gezeigt, dass es gut begründete Zurückhaltung bei den Lehrkräften zu digitalen Medien insgesamt gibt - und dann Programmieren? Didaktische Materialien sollen erst noch kommen. Und woher kommt der PC/das Tablet, mit dem die kleinen Geräte angesteuert werden können? Die IT-Ausstattung der Grundschulen ist noch schlechter als in der Sekundarstufe. In Bremen wird es ein Pilotprojekt mit Evaluation geben. Das ist der richtige Weg und danach wissen wir mehr.
Besonders hervorgehoben wurde auf dem Gipfel die erste „Smart School“ Deutschlands in Saarbrücken. Dort gibt es 1-zu-1 Tablets, Mini-Computer, Arduino-Bords und interaktive Whiteboards. Das ist noch nicht neu. Die Kanzlerin hat durch ihre Fragen an die Schülerinnen und Schüler (wahrscheinlich unabsichtlich) die reine PR-Aktion entlarvt: auf die Frage ob sie die Tablets mit nach Hause nehmen dürften, kam als Antwort: „nein“. Und was wünschen sich die Schülerinnen und Schüler, fragte die Kanzlerin. Antwort: die Nutzung der Tablets auch in anderen Fächern. Von Medienintegration also noch weit entfernt. Da gibt es landauf, landab schon Schulen, die sehr viel „smarter“ sind.
Wo viel Licht ist, findet sich also auch Schatten: Es ist völlig unklar, wie der #digitalpaktD der Bundesministerin für Bildung und Forschung und die dazugehörige Bund-Länder-Vereinbarung aussehen wird. Selbst wenn 5 Milliarden Euro bereitstehen (was erst in der nächsten Legislaturperiode im Haushalt verankert werden könnte), bleibt zu fragen, wie eine Umsetzung im föderalen System mit hochgradig selbständigen Kommunen als Schulträger erfolgen wird. Diese Komplexität im Mehrebenensystem Schule haben wir immer wieder hervorgehoben (zuletzt in meinem Vortrag bei der Präsentation der Sonderauswertung "schule digital" der Initiative D21).
Nachdem sich der aufgewirbelte Staub gelegt hat, wird sich zeigen, wie nachhaltig die Entwicklungen sind. Der nächste Höhepunkt lässt nicht lange auf sich warten: am 8.12.2016 stellt die KMK ihrer „Strategie zur Bildung in einer digitalisierten Welt“ vor. Das ist die Replik auf die Bundesinitiative mit großem Einigungsdrang der Länder. Es bleibt spannend.