Heute hatte ich Gelegenheit den Bremer Co-Creation-Prozess im Projekt MobileAge auf einem Workshop auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung in Ludwigshafen vorzustellen. Das Fachgespräch mit dem Titel "Sozialraum Digital - Ältere Menschen als Co-Entwickler neuer Technik zur Unterstützung für ein gesundes Altern in ihrem Lebensumfeld" wurde im Auftrag des Referats Bildung für ältere Menschen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik organisiert und moderiert. Zum Einstieg wurden zwei Projekte präsentiert, in denen Ko-Entwicklung mit älteren Menschen stattfinden soll.
Claudia Müller, Juniorprofessorin für "IT für die Alternde Gesellschaft" (!) an der Universität Siegen, stellte den Ansatz der Praxislabs vor und erläuterte ihn am Beispiel des Projekts "Cognitive Village". Ein Konsortium aus acht Partnern will neue Technologien wie Mustererkennung und maschinelles Lernen für Seniorinnen und Senioren nutzbar machen und die Gruppe von Claudia Müller soll einen Pool aus älteren Menschen qualifizieren und motivieren, sich an diesem Entwicklungsprozess zu beteiligen. Nach eineinhalb Jahren gibt es eine Gruppe motivierter älterer Menschen, die gelernt haben, das Internet zu nutzen und über einen Möglichkeitsraum technischer Unterstützung ihres Alltags diskutiert haben. Aber noch ist nicht klar, was sie wie zu welchem konkreten Entwicklungsprozess beitragen sollen und wie die direkte Interaktion zwischen den Softwareentwicklern und der Gruppe älterer Menschen erfolgen soll.
Das zweite Projekt stellte Sabine Sachweh, Professorin für Angewandte Softwaretechnik an der FH Dortmund vor. Hier sollen ältere Bürgerinnen und Bürger mit Partnern aus Forschung und Dienstleistung zusammengebracht werden, um zukunftsweisende Konzepte für die Gestaltung des demographischen Wandels im Ruhrgebiet zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht eine digitale Plattform für die Kommunikation im Quartier und ein Angebot relevanter Dienstleistungen. In zweieinhalb Jahres gab es eine Reihe von Quartierskonferenzen und Fokusgruppen. Aber auch hier wurden interessierte Seniorinnen und Senioren aus mehreren Quartieren erst einmal geschult und bei der Internetnutzung begleitet, und es ist noch unklar, wie sie sich an der Gestaltung der Plattform und einzelner Dienstleistungen beteiligen sollen. Die erste und einzige realisierte Anwendung ist ein digitales Vokabelheft, in dem technische Ausdrücke übersetzt werden und das gemeinsam geführt wird.
In der anschließenden Diskussion mit eingeladenen Fachleuten aus der Seniorenarbeit ging es dann auch kaum um Ko-Entwicklung, sondern den offensichtlich langen und mühsamen Vorbereitungsprozess zur Entwicklung digitaler Kompetenzen. Da stieß die Schilderung des Ko-Entwicklungsprozesses für den digitalen Stadtteilwegweiser Osterholz auf großes Interesse, da hier in sechs Monaten eine weitgehend fertige Anwendung entstanden ist, die öffentlich zugänglich ist. Auf meine Frage, ob jemand noch ein weiteres Projekt der Ko-Entwicklung kenne, das zu einem frei nutzbaren Produkt geführt habe, reagierten die Expertenrunde und auch die Veranstalter mit erstauntem Schweigen. Ko-Entwicklung ist demnach in der Projektlandschaft noch wenig verbreitet, und MobileAge scheint das einzige Projekt zu sein, das zu einem konkreten Produkt geführt hat. Und das ist spitze.