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Neue Herausforderungen durch differenzierte Erkenntnisse zur Internetnutzung von Senioren

Es ist bekannt, dass im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung weniger ältere Menschen das Internet nutzen als Jüngere. Bei den über 70 Jährigen liegt der Anteil der Offliner bei rund 65 Prozent, in absoluten Zahlen rund acht Millionen Menschen. Viele glauben, sie brauchen das nicht. Medien sind Erfahrungsgüter. Ihren Nutzen kann man erst erkennen, wenn man sie genutzt hat. Ein von mir geleitetes Projekt der Stiftung Digitale Chancen und Telefonica Deutschland hat es ermöglicht dieses Henne-Ei-Problem zu lösen. Von Juli 2016 bis Mai 2017 haben über die Vermittlung durch 30 Seniorentreffs und Einrichtungen etwas mehr als 300 ältere Menschen einen Table PC mit SIM Karte für acht Wochen ausgeliehen und mit Unterstützung durch ein wöchentliches Begleitprogramm ausprobiert, was da für sie „drin“ ist.

 

Die Teilnehmenden im Alter von 55 bis über 90 Jahren wurden vorher und nachher in Zweier- oder Dreiergruppen zu ihren Erwartungen bzw. Erfahrungen befragt. Konzeptionell stützt sich die Befragung auf den Uses-And-Gratification –Ansatz. Das interessanteste Ergebnis liefert die Gegenüberstellung der Gratifikationen und der Nutzung nach den acht Wochen. Es gibt Anwendungsbereiche, bei denen die erkannten Gratifikationen mit der Nutzung übereinstimmen:

  • 58% stimmen der Aussage zu „Durch das mobile Internet kann ich mich in neuen Umgebungen schneller zurechtfinden“. Und 53% haben auch die Navigationsfunktion des Tablet PCsgenutzt.
  • 66% stimmen zu „Am Internet ist für mich besonders wichtig, dass ich mit meiner Familie, Freunden und Bekannten in Kontakt bleiben kann“. Und 66% haben E-Mails geschrieben und gelesen. (WhatsApp seltener, vor allem dann wenn se Enkel hatten)

 

ABER

 

83% stimmen zu „Das Internet erspart Laufereien“ und 69% „Das Internet ermöglicht es mir, im Alter länger selbstständig zu bleiben“. Aber nur 24 % haben in den acht Wochen mit dem geliehenen Tablet oder anderen eigenen Geräten online eingekauft.

 

 

Quelle. Auszug aus Grafik 27.Digital Mobil im Alter

 

Dieser Befund ist deswegen besonders bemerkenswert, weil häufig betont wird, wie sehr das Internet älteren Menschen dabei helfen kann, länger selbständig zu bleiben. Nun wird gezeigt, dass gerade beim Online-Einkauf, der das konkret ermöglicht, die größten Vorbehalte bestehen.

 

Einer dieser Vorbehalte konnte im Rahmen der Studie identifiziert werden und ein Weg zur Überbrückung aufgezeigt werden. Gefragt nach diesem Widerspruch sagten viele Seniorinnen und Senioren, dass sie zwar den Nutzen sehen, sich aber nicht trauen. Dabei ging es weniger um Datenschutz als um die Angst vor Betrug, durch Fakeshops und Phishing. In Seniorendialogen, auf denen jeweils Zwischenergebnisse zur Diskussion gestellt wurden, haben wir aus diesem Anlass jeweils eine Referentin der örtlichen Verbraucherzentrale eingeladen. Die Information, dass jeder ein Rückgaberecht ohne Angabe von Gründen hat, dass man beim Bezahlen per Lastschrifteinzug diesen widerrufen kann und sich bei Problemen an die Verbraucherzentrale wenden kann, wurden mit großem Interesse aufgenommen. Eine der Schlussfolgerungen in der Studie läuft daher darauf hinaus, Medien- oder Digitale Kompetenz nicht nur als Fähigkeit zur Nutzung von verschiedenen Anwendungen zu begreifen und zu fördern, sondern auch als Aufbau von Selbstvertrauen in die eigene Problemlösungsfähigkeit. Das könnte zum Beispiel in gemeinsamen Kursen von Seniorencomputerclubs und Verbraucherzentralen mit praktischen Übungen geschehen.

 

Die Studie beinhaltet noch viele weitere interessante Befunde und Empfehlungen für die Überwindung der eingangs erwähnten „Alterslücke“. Sie kann digital heruntergeladen werden von http://www.digitale-chancen.de/tabletpcs/. Die gedruckte Fassung kann bei mir per E-Mail unentgeltlich angefordert werden.



Partizipation und Teilhabe  MobileAge