Der Fernsehrat hat in der letzten Woche am 23.09.2022 in Mainz getagt. Der Tätigkeitsbericht des Intendanten widmete sich zunächst vor dem Hintergrund der Vorfälle beim RBB dem politisch aufgeheizten Thema der Transparenz und Kontrolle. Dazu gab es eine sehr ausführliche und hilfreiche Zusammenfassung der Antworten des Hauses auf diverse Pressenachfragen. Der Intendant machte deutlich, dass aufgrund des relativen jungen ZDF-Staatsvertrags bereits zahlreiche Compliance-Elemente eingeführt worden wären, an die sich das ZDF auch akribisch halte. Dieser Einschätzung stimmten Mitglieder des Fernsehrates zu und kamen zur Einschätzung, dass sich die RBB-Affäre im ZDF nicht wiederholen könne. Da wäre ich grundsätzlich vorsichtiger, denn niemand kann alle möglichen Entwicklungen vorhersehen. Aber es wurde offenkundig, dass das ZDF hier sehr gut aufgestellt ist und Transparenz eine zentrale Rolle spielt. Das würde ich mir an manchen Stellen auch mit Vorlagen und Diskussionspapieren für den Fernsehrat wünschen. Ich bin sicher, dass ZDF hat hier nichts zu verbergen (im Gegenteil!) und ist stark genug, um ggf. Wettbewerbern einen Einblick zu erlauben. Das gilt auch für den Strategieprozess, der in TOP 4 sehr anschaulich erläutert wurde und bei dem eine aktive Mitwirkung des Fernsehrats sowohl vom Haus als auch aus dem Fernsehrat gewünscht und eingefordert wurde.
Hinter der aktuellen politischen Diskussion wurde den anderen Teilen des Tätigkeitsberichts keine so große Aufmerksamkeit zuteil, obwohl die Entwicklungszahlen und das Leistungsspektrum sehr beeindruckend sind. In TOP 5 wurden die Verfahren und Instrumente zur Qualitätsmessung der ZDF-Angebote vorgestellt und diskutiert. Das war sehr eindrucksvoll und zeigt, wie stark sich die reine Reichweitenmessung zu einem umfassenden Dashboard mit qualitativen und quantitativen Kennzahlen unter Berücksichtigung sämtlicher Plattformen mit ihren jeweiligen Vermessungs-Logiken weiterentwickelt hat.
Zu TOP 6 "Wissenschaft in den ZDF-Programmen" gab es aus den Ausschüssen, in denen die Vorlage behandelt wurde, nur wenig Feedback. Daher sah ich mich herausgefordert, zusätzlich zu meinem Interview für den Fernsehrat-Newsletter noch einmal zentrale Punkte vorzutragen. Dies wurde auch im Livestream übertragen. Ich war überrascht und verwundert, dass die letzte Befassung sieben Jahre zurückliegt. Und dass, obwohl alle nach Wissenschaft rufen und sich der wissenschaftlichen Basis in der Berichterstattung und den Formaten verschrieben haben.
Glückwunsch an die Wissenschaftsredaktion für die tollen Leistungen - insbesondere die Entscheidung für verschiedene Ausstrahlungswege (Plattformstrategie) ist hervorragend und wird weitere Zielgruppe erreichen. terraX nur am Sonntag Abend auszustrahlen ist nicht mehr ausreichend (so gut die Sendung ist). Hierzu empfehle ich sowohl die Befassung durch den Ausschusses für Telemedien als auch eine enge Kooperation mit Wissenschaftsorganisationen. Aus meiner Sicht umfasst das Thema Wissenschaft mehr als die in der Vorlage beschriebenen Aspekte.
- Wissenschaft ist mehr als Forschung: Ausbildung von 3 Mio. Studierenden und die wissenschaftliche Weiterqualifizierung und eigenständige Forschung von ca. 200.000 Doktorand:innen und ca. 50.000 Postdoktorand:innen. Sie sind bisher eher unterrepräsentiert.
- Wissenschaftsformate sind weiter zu stärken. Dies erfordert Fachwissenschaftler:innnen in der Redaktion. Gerade die Sozial-/Geisteswissenschaften bekommen zu selten Gehör und neue dynamische Felder (wie Robotik, KI) müssen gestärkt und auch personell besetzt werden.
- Viele Sendungen werden durch wissenschaftliche Expertise unterstützt: Wie aber konkret der Prozess zur Auswahl von Wissenschaftler:innen in den unterschiedlichen Sendungen stattfindet, bliebt uneindeutig. Vorbildhaft ist die Transparenz in Bezug auf die Expert:innen (siehe Liste). Auch hierzu empfiehlt sich der Austausch mit Wissenschaftsorganisationen
- Wissenschaft (als Beruf) findet sich selten bis gar nicht in fiktiven Formaten wieder? Darüber könnte u.a. sehr niederschwellig deutlich gemacht werden, wo Grenzen der Wissenschaft sind und dass wissenschaftliche Erkenntnis kontinuierlich im Wandel ist.
Bereits im Ausschuss für Telemedien behandelt wurde der 3-Stufen-Test der KiKA Telemedien (TOP 7). Wesentliche Änderung ist die generelle Ausweitung der Verweildauer der KiKA Telemedien von zwei auf fünf Jahre. Geprüft wurde einerseits vom MDR Rundfunkrat stellvertretend für die ARD und dann vom ZDF Fernsehrat. Wir sahen keinerlei Hindernisse oder gar Eingriff in den Wettbewerb und waren uns einig, dass die Verweildauerfristen eigentlich noch länger werden müssten, um gemäß Auftrag möglichst vielen Kindern die Inhalte zur Verfügung stellen zu können.
Die Leistungen der Phoenix-Redaktion wurden in TOP 9 ausführlich gewürdigt, insbesondere unter den erschwerten Bedingungen einer Quasi-Konkurrenz durch tagesschau24. In TOP 9 wurde einstimmig ein neuer Rundfunkdatenschutzbeauftragter ab dem 1.1.2023 bestellt, der auch für andere Sendeanstalten tätig ist - das sind sehr schöne Synergieefffekte. Die finale Entscheidung hängt von der Zustimmung aller beteiligter Anstalten ab. Wie immer ist einer der letzten TOPe die Befassung mit den Programmbeschwerden. Dies wird mit einer beeindruckender Routine vorgetragen und die Beschwerden werden (meistens) einstimmig abgelehnt.
Die nächste Sitzung findet am 09.12.2022 statt, im November tagt zudem noch einmal der Ausschuss für Telemedien.