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Neues aus dem ZDF Fernsehrat (9) – Der Schwarm, die Plattform und Böhmermann

Seit Juli 2020 darf ich den Bereich "Wissenschaft und Forschung" im ZDF Fernsehrat vertreten. Ganz im Sinne von "Open Science" werde ich im ifib-Blog über die aus meiner Sicht wichtigen und berichtenswerten Themen schreiben. Dies bezieht sich sowohl auf die Plenumssitzungen als auch meine Mitwirkung im Ausschuss für Telemedien.

Die Tagesordnung für die Sitzung am 10. März 2023 war prall gefüllt. Der Intendant hat in Rahmen seines Tätigkeitsberichts Bezug zu den aktuellen medienpolitischen Diskussionen genommen. Dabei war die Perspektive und auch die Strategie des ZDF deutlich erkennbar. Dies wurde auch noch einmal durch die Berichterstattung über den Strategieprozess "Ein ZDF für alle" untermauert, die gemeinsam mit der Programmdirektorin Dr. Nadine Bilke, der Chefredakteurin, Bettina Schausten und der Verwaltungsdirektorin Karin Brieden vorgetragen wurde. Die Stellschrauben in einem erkennbar partizipativen Prozess waren in allen Teilbereichen offensichtlich. So sollen über die nächsten Jahre 100 Millionen Euro zugunsten der bisher unterrepräsentierten Gruppen (Content Communities) umgeschichtet werden, was zu relativ gleichen Anteil in der Programm- und der Chefredaktion geschehen wird. Dies wird insbesondere der Vielfalt der Angebote in nicht-linearen Formaten zugute kommen. Dafür werden auch lieb gewonnene Formate und Sendungen beendet.

Als eigener Tagesordnungspunkt und mit eigener Vorlage wurde die Serienproduktion "Der Schwarm" behandelt. Die sehr positive Resonanz des Publikums (insbesondere das bisherige Top-Ergebnis der Abrufe in der Mediathek) wurde auch in der Diskussion im Fernsehrat reflektiert. Alle Beiträge waren voll des Lobes, sowohl thematisch, als auch wegen des Formats, der Auswahl der Schauspieler:innen und des besonderen Geschäftsmodells: das ZDF übernimmt nur ein Drittel der Gesamtkosten in einem internationalen Konsortium. In meiner Rolle als Vertreter von Wissenschaft und Forschung habe ich insbesondere hervorgehoben, dass zum einen die wissenschaftliche Beratung (bspw. durch Professorin Boetius vom AWI in Bremerhaven und der Universität Bremen) und zum zweiten die Begleitsendungen (u.a. terraX) herausragend waren. Ein kleiner kritischer Hinweis meinerseits galt der Abbildung der Lebenswirklichkeit von Wissenschaftler:innen in der Serie. Hier wäre - unter Reflexion der umfassenden Diskussion (Stichwort: "Ich bin Hanna") über prekäre Arbeitssituationen von Doktorand:innen und PostDocs auch in den bestehenden Hierarchien (nicht nur in Deutschland) - eine Befassung in einem fiktionalen Format wünschenswert gewesen. Der stellvertretende Programmdirektor Frank Zervos hat diesen Hinweise dankbar aufgenommen.

Zweiter großer TOP war aus meiner Sicht die Präsentation des aktuellen Standes zum Streaming-Netzwerk von ARD und ZDF. Entgegen der teilweise undifferenzierten öffentlichen Wahrnehmung und politischen Diskussion ist der eingeschlagene Weg m.E. ausdrücklich zu begrüßen. Eine technische gemeinsame Plattform, wie teilweise gefordert, macht aus technischen, organisatorischen und journalistischen Gründen keinen Sinn. Dies hat der Leiter Digitale Medien, Eckart Gaddum, eindrucksvoll erläutert. Die in Kürze online geschaltete Version wird eine gemeinsame Suche und ein gemeinsames Empfehlungssystem enthalten. Das heißt, über die ZDF Mediathek werden ARD Inhalte erschließbar sein und es werden Empfehlungen für ARD Sendungen geben und auch umgekehrt. Die gewählte Darstellung ermöglicht unmittelbar die publizistische Vielfalt zu erkennen und auch die Mehrfachangebote zu identischen Themen. Das ist eine großartige Verbesserung gegenüber der heutigen Situation und setzt zahlreiche Aushandlungen voraus (zu Metadaten, Reihenfolge, Suchalgorithmen usw.). Bravo! Und wie es sich bei einem agilen Vorgehen gehört, wird weiter daran gearbeitet und es werden weitere Features eingebaut werden.

Wenn es eine Rangliste der Programmbeschwerden gäbe, dann wäre Jan Böhmermann mit dem ZDF Magazin Royal sicher an Nummer 1. Das ließe sich als Auszeichnung für ein Satire-Format verstehen, auch wenn an der ein oder anderen Stelle auch berechtigte kritische Hinweise gegeben wurde.

Die nächste Sitzung des Fernsehrates findet am 30.6.2023 in Schwerin statt.  



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