Sie sind hier:  
  1. ifib-research
  2. Blog
  3. Detail

Vermessung und Überwindung der Alterslücke bei der Internetnutzung

Studie von ifib research ermittelt den Bedarf für Bremen und darüber hinaus

Eine sichere Internetnutzung ist für viele noch eine große Herausforderung und es ist sinnvoll, jedes Jahr am Safer Internet Day mit vielfältigen Aktionen Aufmerksamkeit dafür zu schaffen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass man dazu das Internet überhaupt nutzen können muss. Eine neue Studie belegt, dass dies ist bei einem Teil der älteren Bevölkerung noch immer nicht der Fall ist und für eine sichere Nutzung eine so bisher nicht erwartete Unterstützung erforderlich ist.

Man hört immer wieder: Bei der angekündigten Beschleunigung der Digitalisierung soll niemand abgehängt oder zurückgelassen werden. Dass ältere Menschen das Internet deutlich weniger nutzen als jüngere ist hinreichend bekannt. Und es besteht auch weitgehend Einigkeit in Politik und Verwaltung, dass insbesondere die Kommunen durch geeignete Unterstützungsmaßahmen die digitale Teilhabe dieser 30 Jahre umspannenden und sehr vielfältigen Bevölkerungsgruppe fördern sollen. 

Seit Anfang 2020 gibt es in Bremen das Netzwerk Digitalambulanzen (https://www.digitalambulanzen.bremen.de/startseite-1459), in dem inzwischen 30 Einrichtungen zusammen daran arbeiten, älteren Menschen, die das Internet nicht oder nur beschränkt nutzen, die erforderliche Unterstützung  zu gewähren. Seit Juni 2020 wird das Netzwerk vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat als eines von 13 Regionalen Open Government Laboren  (https://open-government-kommunen.de/ilias.php?baseClass=ilrepositorygui&reloadpublic=1&cmd=frameset&ref_id=1)  gefördert. ifib research wurde mit der wisssenschaftlichen Begleitforschung betraut. Um den erforderlichen Unterstützungsbedarf in den beiden Städten qualitativ und quantitativ genau zu ermitteln, wurde im April 2021 mit Unterstützung des Statistischen Landesamtes eine Umfrage bei der Bevölkerung ab 60 Jahre durchgeführt. Von 43.000 verschickten Fragebögen wurden 11. 331 (28%) ausgefüllt und ausgewertet. Ergebnisse sowie daraus abgeleitete Empfehlungen wurden nun in einem Bericht veröffentlicht. Neben vielen interessanten Details hat diese umfangreiche Erhebung drei strategisch wichtige Erkenntnisse geliefert, die auch für andere mittlere und größere Städte relevant sind:

  • In beiden Städten gibt es bei den Offlinern Unterschiede zwischen den Stadtteilen, in der Stadt Bremen zwischen sieben bis 27 Prozent. Damit wird die Überwindung der Alterslücke auch zu einer Aufgabe der Stadtentwicklung, deren Förderprogramme diese Aufgabe noch nicht berücksichtigen.
  • Bisher dachte man, es müssten nur genügend gut erreichbare niedrigschwellige Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten geschaffen werden, dann würden die älteren Offliner diese in Anspruch nehmen, sich digitale Kompetenzen aneignen und digital teilhaben können. Die Daten aus der Umfrage belegen, dass dies in zweifacher Hinsicht zu kurz gedacht ist:
    • 36 bzw. 44 %Prozent der 2.079 Offliner haben angegeben, dass sie für sich keinen Nutzen sehen oder generell kein Interesse am Internet haben. 77 Prozent haben die Frage nach verschiedenen Formen der Unterstützung dementsprechend nicht beantwortet, weder eine bestimmte Form gewählt, noch gesagt sie hätten Unterstützung und deswegen keinen Bedarf. Wenn man keinen Nutzen erwartet, sucht man auch keinen Lern-und Erfahrungsort auf.  Wie man diese desinteressierten und skeptischen Seniorinnen und Senioren dafür gewinnen kann, ihre Vorteile zu überprüfen, ist noch völlig ungeklärt.
    • Daneben hat sich gezeigt, dass von denjenigen, die das Internet zumindest gelegentlich nutzen, die Hälfte dies nicht ganz alleine kann und immer wieder Unterstützung benötigt. Die Onliner wurden gefragt, welche Art der Hilfe sie sich bei auftretenden Problemen mit ihrem Gerät oder einzelnen Anwendungen wünschen. Mit einem Modell mit unterschiedlichen Annahmen für die Schätzung der Nachfrage in diesem Jahr wurde ein Minimum von 10.000 Hausbesuchen, 6.600 Anrufen bei einer Hotline und 5.000 Besuchen von Sprechstunden errechnet.

Diese Befunde sprechen nicht gegen Lern- und Erfahrungsorte, von denen es noch viel zu wenige gibt. Sie belegen jedoch, dass diese sowohl durch hinführende als auch durch nachsorgende Maßnahmen ergänzt werden müssen, wenn die Alterslücke deutlich verringert werden soll.

PS: Wie es sich für ein Open Government Labor gehört, werden die 11.331 Datensätze auf der Web-Seite des Netzwerks unter offener Lizenz für weitere Detailanalysen bereitgestellt.

Hier der Link zum Bericht: Internetnutzung älterer Menschen in Bremen und Bremerhaven, Ergebnisse und Schlussfolgerungen einer Bevölkerungsumfrage 2021



Nachrichten  Projekte  Veröffentlichungen