Der Kongress der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) bot Gelegenheit, das Thema Transfer und Transformation zwei Tage lang intensiv zu beleuchten und zu diskutieren. Gemeinsam mit Vertreter*innen aus Wissenschaft und Praxis wurde der Frage nachgegangen, wie der Transfer wissenschaftlichen Wissens in die Praxis und praktischen Wissens in die Wissenschaft gelingen kann. Spannende Keynotes bildeten an beiden Tagen jeweils den Auftakt und wurden von vielseitigen Vorträgen in insgesamt neun Panels ergänzt. Prof. Dr. Dörte Weltzien (Ev. Hochschule Freiburg) eröffnete mit ihrer Keynote am ersten Tag das Feld der Transfer-, Transformations- und Implementierungsforschung. Es wurde deutlich, dass die Wege des Wissens nicht linear sondern überaus komplex sind und nicht schlicht in Prä-Post-Vergleichen – entlang von Input und Outcome – nachzuzeichnen sind. Wissen kann nicht lediglich weitergereicht werden, sondern muss sich angeeignet und neu interpretiert werden – es bleibt also nicht, was es war – sondern wird transformiert – und zwar gemeinsam mit Praxis. Wenn Wissenstransformation als derartiger Prozess gedacht wird, dessen Ergebnis offenzuhalten ist und der auf Augenhöhe zu gestalten ist, drängt sich die Frage auf, wie etwas ‘gemessen’ werden kann, was nur prozesshaft zu denken und in steter Bewegung – Transformation – ist.
Hier gibt es zahlreiche Anschlüsse an das Projekt DILABoration, in dem wir über den Einsatz rekonstruktiver Methoden u.a. Transformationen der Habitus von Fach- und Lehrkräften sichtbar machen. Prof. Dr. Nina Hogrebe (TU Dortmund) schlug in ihrer Keynote am zweiten Tag vor, die Transformation von Wissen gerade im Rahmen von Fort- und Weiterbildung als längerfristigen Prozess aufzufassen und den Transfer von Anfang an mitzudenken. So sollte dem Prozess, bis neues Wissen nicht nur ‘gewusst’ sondern auch in die alltägliche Praxis von nahezu allen Teammitgliedern übersetzt werden kann, Zeit eingeräumt und der Transfer längerfristig angelegt werden. Quer durch alle Beiträge wurde dabei deutlich, dass es bisher wenige Erkenntnisse über den konkreten Prozess des Transfers und der Transformation von Wissen gibt und darüber, wie solche Prozesse initiiert und gestaltet werden können. In diesem Rahmen wurde unter Rekurs auf Blatter und Schelle (2022) häufig von Transformationsräumen gesprochen. Wie genau und von wem wird welches Wissen erzeugt, wie aufbereitet, angeboten, (nicht) aufgenommen, adaptiert, übersetzt, transformiert? Wie verändern sich praxisbezogene Wissensbestände durch wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis und vice versa – wie und wodurch werden Wissensbestände von Forschenden durch die Praxis transformiert? Wie verhält es sich eigentlich mit dem Begriff der Praxis, wenn Wissenschaft doch auch nur durch ihre eigene ‘Handlungs- und Diskurs-Praxis’ Wissen erzeugt? Wie kann diese Dichotomie (Wissenschaft vs. Praxis) reflektiert und konzeptuell nachgeschärft werden? Wie können solche Begegnungsräume von Wissenschaft und Praxis als dialogische, produktive Zwischenräume initiiert und gemeinsam gestaltet werden? Es zeigte sich, dass diese Fragen nach wie vor ein Forschungsdesiderat darstellen.
Im Rahmen des Evaluationsforschungsprojekts DILABoration zählt Transfer zur Aufgabenstellung und wird deshalb von Anfang an mitgedacht. Im Rahmen des responsiven, formativen und partizipativen Forschungsdesigns führen wir sogenannte Transfergespräche mit Akteur*innen der Praxis. Zu den leitenden, verbindlichen Prämissen zählt die Ebenbürtigkeit der Beteiligten und der so oft genannte „Dialog auf Augenhöhe“. Damit waren die auf dem Kongress diskutierten Herausforderungen und Dilemmata durchweg anschlussfähig an unser Projekt. Wir präsentierten ein Teilprojekt von DILABoration und boten unter der Überschrift “Von der Forschung zur Evaluation und zur Intervention? Transfer aus der Perspektive einer responsiven, partizipativen, dokumentarischen Evaluationsforschung” erste Einblicke in unsere Erfahrungen mit dem Transfer im Rahmen unseres Evaluationsprojektes. Der daran anknüpfende Austausch in unserem Panel war äußerst anregend und produktiv. Es wurde uns rückgemeldet, dass es eine Besonderheit sei, solche detaillierten Einblicke in den komplexen Prozess des Transfers zu erhalten, sichtbar würde dabei zugleich, wie auch unsere eigene, wissenschaftliche Praxis in Transformation geraten sei. Im Anschluss entwickelte sich eine intensive Diskussion zu den unumgänglichen Herausforderungen und ethischen Verpflichtungen im Prozess der Transfergestaltung, der für uns besonders anregend war. Dem, auch am Ende der Veranstaltung formulierte Wunsch und Auftrag den „Dialog [zu] verbessern”, versuchen wir weiter nachzukommen – er bleibt Prämisse und Ziel.
Da die systematische Analyse der Transfergespräche Gegenstand einer der an das Projekt angebundenen Dissertationen – jener von Christine Nowak – ist, sind hier zukünftig weitere wertvolle Erkenntnisse sowohl in Bezug auf die Eröffnung und Gestaltung von Transformationsräumen als auch bezüglich der Reflexion der Herausforderungen zu erwarten.