Bereits am 13.04.2016 fand in Kiel die Tagung „Bring your own device (BYOD) – Möglichkeiten und Gelingensbedingungen des schulischen Einsatzes“ des Netzwerks Digitale Lernorte statt. Mit rund 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war die Veranstaltung sehr gut besucht und es mussten sogar noch Interessenten zurückgewiesen werden. Ich hatte das Vergnügen, den Eröffnungsvortrag zu der Frage zu halten, was dran ist am momentanen „Hype“ um BYOD und ob sich mittels dieses Konzeptes Lernen mit mobilen Endgeräten für alle Schülerinnen und Schüler realisieren.
Dass Heranwachsende mit individuellen mobilen Endgeräten anders lernen können und ihnen die digitalen Medien dabei spezifische Möglichkeiten eröffnen, die sich anderweitig nicht realisieren ließen, steht außer Frage. Das betrifft u. a. neue Formen kooperativen und kollaborativen Lernens, ein erhöhtes Maß an Adaptivität und der Berücksichtigung von Heterogenität im Kontext von Lern- und Lehrprozessen , neue Formen der Feedbackkultur sowie Vorteile, die auf die Multimodalität der digitalen Medien zurückführen lassen.
Letztlich muss man aber auch die Frage stellen, ob die Schülerinnen und Schüler auf diese Weise besser lernen, d. h. ob sich das umfängliche Lernen mit den digitalen auch positiv auf den Kompetenzerwerb auswirkt und das gilt nicht nur für den Erwerb von Medienkompetenz, sondern auch für die verschiedenen fachlichen Kompetenzen. Die Datenlage zu dieser Frage ist uneinheitlich. Viele Untersuchungen zu diesem Thema lassen zudem aufgrund methodisch-methodologischer Schwächen eigentlich keine entsprechenden Aussagen zu. Positive Effekte auf dem Kompetenzerwerb fallen unter dem Strich am Ende doch relativ gering aus. Eine von der OECD beauftragte Sekundäranalyse von PISA-Daten zeigt gar, dass ein negativer Zusammenhang zwischen der Anzahl der in der Schule verfügbaren Computer, der Intensität der Nutzung der digitalen Medien und den gemessenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler besteht. So liegen z. B. die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Australien, wo überdurchschnittlich viele Heranwachsende mit individuellen Endgeräten in der Schule lernen deutlich unter dem Durchschnitt der OECD Staaten. Diese Zusammenhänge sind aber nicht zwingend kausal und man muss u. a. auch fragen, wie die digitalen Medien z. B. im Unterricht eingesetzt. Der Einsatz von Programmen zum Wiederholen und Einüben bestimmter Inhalte scheint sich z. B. deutlich negativer auf dem Kompetenzerwerb auszuwirken als andere Praktiken. Es bedarf weiterer Forschung, um die Ursachen solcher Phänomene besser zu verstehen.
Natürlich kann das nicht heißen, die schulische Medienintegration auszusetzen, bis man genaueres dazu weiß, wie die Nutzung der digitalen Medien auf die verschiedenen Bildungsaspekte wirken. Gleichwohl sollte man deutlich intensiver darüber nachdenken, wie und auch in welchem Ausmaß die digitalen Medien in Lern- und Lehrkontexten zum Einsatz kommen sollen. Lernförderliche IT-Infrastrukturen lassen sich an die Ergebnisse eines solchen Prozesses flexibel anpassen. Ihr Auf- und Ausbau ist unerlässlich. Bei der Frage nach dem „wie“ sind dabei insbesondere die Orientierungen bzw. Einstellungen der Lehrkräfte zu berücksichtigen, die maßgeblich dafür sind, wie die digitalen Medien in ihrem Unterricht zum Einsatz kommen. Um dabei nicht in erster Linie den Status quo zu wahren, indem die digitalen Medien vor allem auf etablierte Lern- und Lehrformen aufgesetzt werden, sollte die Medienintegration auf engste mit Schulentwicklungsprozessen verzahnt werden. In deren Kontext gilt es u. a. eine Schul- und Lernkultur zu etablieren, die die Grundlage dafür schafft, dass die digitalen Medien innerhalb der schulischen Bildungsprozesse so eingesetzt und thematisiert werden, dass sie die Schülerinnen und Schüler in bestmöglicher Weise auf die Anforderungen für das Leben in einer sich kontinuierlich wandelnde Welt vorbereitet.
www.oecd.org/publications/students-computers-and-learning-9789264239555-en.htm